Den Knick knicken?

8. Juli 2010 | von | Kategorie: Verkehr

Ein Denk­an­stoß zum S‑­Bahn-Streit

Wie wö­chent­lich der Lo­kal­pres­se zu ent­neh­men ist, hat sich die po­li­ti­sche Land­schaft in der Stadt Fürth dem Ziel ver­schrie­ben den Ver­schwenk der S‑Bahn ins Knob­lauchs­land zu ver­hin­dern und ver­folgt die­ses mit viel Ei­fer.

Möch­te man dem kom­ple­xen The­ma ge­recht wer­den, so soll­te man zu­nächst ein­mal nicht ver­ges­sen, dass es für tau­sen­de von Pend­lern ei­ne gro­ße Er­leich­te­rung sein wird, dass die hoch­aus­ge­la­ste­te R2 end­lich zur S‑Bahn aus­ge­baut wird. Vor­her müs­sen sie – wie die An­woh­ner – un­ter gro­ßen Be­la­stung der ei­ner ein­zi­gen Bau­stel­le glei­chen­den Strecke lei­den. Das nimmt be­son­ders der Pend­ler in Kauf – denn: Es geht vor­wärts, so meint man, wä­re da nicht die­se selt­sa­me Für­ther In­itia­ti­ve, die sich an­schickt uns ei­ne pein­li­che Pro­vinz-Pos­se in die Ge­schichts­bü­cher un­se­rer schö­nen Stadt zu schrei­ben:

Fast je­den Tag gei­ßelt man den künf­ti­gen Ver­schwenk der S‑Bahn ins Knob­lauch­land als un­nö­tig, hau­siert hier­für be­reit­wil­lig mit dem ge­mein­schaft­li­chen Ver­sa­gen was das ge­mein­sa­me High­tech-Ge­wer­be­ge­biet Schma­lau an­geht, das man in Zei­ten der Grundig‑, Quel­le-Plei­te u. a. durch­aus schmerz­lich ver­misst. Man kehrt zu­rück un­ter den Tep­pich, was schon mal öf­fent­lich kur­sier­te, dass die weit­läu­fi­ge­re Er­schlie­ßung des neu­en Bahn­hofs Schma­lau von Mö­bel Höff­ner be­zahlt wer­den soll und ist sich auch nicht zu scha­de zu ver­kün­den, not­falls die paar tau­send Eu­ro zu ver­wei­gern um den Feld­weg am künf­ti­gen Bahn­hof zu ei­ner nor­ma­len Stra­ße aus­zu­bau­en und er­klärt die­se feh­len­de Er­schlie­ßung an­schlie­ßend al­len Ern­stes zu ei­nem Ar­gu­ment ge­gen den ge­sam­ten Bahn­hof. Mit die­ser Ein­stel­lung hät­te man den Ad­ler 1835 nie auf die Schie­ne ge­bracht! Klar, der Bahn­hof Stein­ach wird haupt­säch­lich auch Pend­lern auf Nürn­ber­ger Ter­rain die­nen, ob man die Stadt Nürn­berg hier zu fi­nan­zi­el­lem Ent­ge­gen­kom­men be­we­gen kann, das liegt ganz beim ver­hand­lungs­tak­ti­schen Ge­schick von Bahn und Stadt Fürth.

Was ger­ne über­gan­gen wird: Es wird auch ein neu­er Bahn­hof für Sta­deln ent­ste­hen, der nä­her an den in­ne­ren Für­ther Ver­kehrs­ach­sen liegt, da­durch bes­ser zu er­rei­chen ist und vie­len Für­thern ei­nen ganz neu­en Zu­gang zur Bahn er­öff­nen wird – Doch die­ses künf­ti­ge Heer von Pend­lern hat na­tür­lich heu­te noch kei­ne ei­ge­ne Lob­by, man hört nur die Pro­te­st’­ler, die nä­her am be­stehen­den Bahn­hof woh­nen, und die Stadt Fürth tut nichts zur Kor­rek­tur die­ser ver­scho­be­nen öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung.

Wie­so ei­gent­lich? Kann es wirk­lich sein, dass das Für­ther Rat­haus sich quer durch al­le Par­tei­en von der Lob­by der Grund­be­sit­zer und Bau­ern im Knob­lauchs­land trei­ben lässt, die den Ein­griff in ih­re Flä­chen fürch­ten? Nicht ein­mal der Bund Na­tur­schutz ist sich zu scha­de, die sinn­vol­le In­fra­struk­tur­maß­nah­me als Flä­chen­fraß an land­wirt­schaft­li­chen Nutz­flä­chen zu gei­ßeln. Nutz­flä­chen, die so idyl­lisch zwi­schen der hoch­be­la­ste­ten Ver­kehrs­schlag­ader Fran­ken­schnell­weg und der di­rek­ten Flug­ha­fen-Ein­flug­schnei­se lie­gen, auf die et­was an­de­re Art »na­tur­ge­düngt« muss man die­se Köst­lich­kei­ten die dort ent­ste­hen nen­nen – Welch ein her­ber Ver­lust für das ku­li­na­ri­sche Fran­ken, si­cher­lich wert be­reit­wil­lig auf zwei, drei und mehr Jah­re S‑Bahn zu ver­zich­ten?

Den Ein­griff in die Sta­del­ner Hard zu ver­hin­dern, das mag ein he­he­res Ziel sein, doch es bleibt dem ge­neig­ten Le­ser zu be­ur­tei­len, ob der­ar­tig ein­fühl­sa­me Rück­sich­ten bei Stra­ßen­bau­pro­jek­ten in den letz­ten 40 Jah­ren je­mals exi­stier­ten bzw. gar so ve­he­ment gel­tend ge­macht wer­den wie jetzt ge­gen­über der Bahn.

Jen­seits von Ab­sur­di­stan gibt es ne­ben der im­mensen zeit­li­chen Ver­zö­ge­rung auch tech­ni­sche Fak­ten sei­tens der Bahn, die den Ver­schwenk auch in den Kon­text des Güterzug(tunnel)verkehrs stellt, der hier ein­mal kom­men soll. Fak­ten von de­nen man in der hie­si­gen Lo­kal­pres­se nicht viel liest. Auch dass in den um­lie­gen­den be­trof­fe­nen Städ­ten we­nig Ver­ständ­nis für die Für­ther Sa­bo­ta­ge am Pro­jekt S‑Bahn auf­ge­bracht wird, ist in der Für­ther Be­richt­erstat­tung und Dis­kus­si­on al­ler­höch­stens Rand­no­tiz. Sach­lich geht an­ders.

Hof­fen wir, dass die DB nicht ir­gend­wann ein­fach »uns reicht’s« sagt, und uns Für­thern nichts als ei­nen schmerz­haf­ten Pyr­rhus­sieg hin­ter­lässt.

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76 Kommentare zu »Den Knick knicken?«:

  1. kentel sagt:

    Ich ver­ste­he nicht war­um man ei­ne völ­lig neue Strecke bau­en soll, wenn es doch be­reits ei­ne be­stehen­de gibt. Ich kann die Ar­gu­men­te der Geg­ner voll nach­voll­zie­hen.

    Gibt es ei­ne Kar­te die den von der Bahn ge­wünsch­ten Ver­lauf mit dem Stand­ort der neu­en Bahn­hö­fe zeigt?

  2. Ja gibt es, auf der Sei­te des Ak­ti­ons­bünd­nis »Pro S‑Bahn oh­ne Ver­schwenk«:

    http://www.pro-s-bahn.fuerth.org/wp-content/uploads/2009/11/Variantendarstellung.pdf

  3. Doc Bendit sagt:

    Mit die­sem kom­pro­miss­lo­sen »Fort­schritts­den­ken« hät­ten wir heu­te dann aber auch kei­ne Ufer­pro­me­na­de son­dern ei­ne Red­nitz­tal­stra­ße. Glück­li­cher­wei­se gab es auch da­mals schon en­ga­gier­te »Brem­ser« die Schlim­me­res ver­hin­der­ten. Die Ar­gu­men­ta­ti­on dass beim Ver­kehrs­we­ge­bau frü­her we­nig auf die Um­welt ge­ach­tet wur­de, frei nach dem Mot­to: »Ha­ben wir schon im­mer so ge­macht« ist zu bil­lig. Es gilt doch ge­ra­de jetzt, die von »frü­her« noch er­hal­te­nen Re­ste an Na­tur zu er­hal­ten und nicht auch noch dem Mo­loch Ver­kehr zu op­fern. Weg ist weg, und zwar für im­mer. Selbst wenn ir­gend­wo Flä­chen als Aus­gleich re­na­tu­riert wer­den, er­rei­chen die­se nie­mals die Qua­li­tät der Ori­gi­na­le.

    Ziel der über­re­gio­na­len Po­li­tik soll­te es sein, das lei­di­ge Pend­ler­tum ein­zu­däm­men, da­mit wä­re nicht nur Geld ge­spart son­dern vor al­lem auch Res­sour­cen. Nie­mand mag mir glaub­haft weis­ma­chen, dass z.B. ein Elek­tri­ker täg­lich von Bam­berg nach Nürn­berg pen­deln muss, weil er vor Ort kei­ne Ar­beit fin­det oder zu we­nig ver­dient. Wie­viel ver­dient er aber nach Ab­zug der Fahrt­ko­sten wirk­lich ? Von der ver­ta­nen Zeit mal ganz zu schwei­gen.

  4. Die ar­beits­markt­po­li­ti­schen Dog­men der »Fle­xi­bi­li­tät«, die man dem Elek­tri­ker in Bam­berg ab­ver­langt und die­sen da­zu zwin­gen in Nürn­berg zu ar­bei­ten, könn­te man si­cher­lich in Zwei­fel zie­hen, aber das führt et­was zu weit. Neh­men wir als Bei­spiel doch ein­fach die Stu­den­ten und Sie­mens-Mit­ar­bei­ter die von Fürth und Nürn­berg aus nach Er­lan­gen pil­gern. Hier stellt sich die­se Fra­ge über den Sinn ih­res Pen­delns nicht, und doch sind sie exi­sten­zi­ell vom S‑Bahnbau be­vor­tei­ligt.

    Ich ge­hö­re si­cher nicht zu de­nen, die dem kom­pro­miss­lo­sen Fort­schritts­den­ken an­ge­hö­ren, viel­mehr ist mein Kri­tik­an­satz­punkt hier zwei­tei­lig:

    1. Kommt die Kri­tik zu spät ob­wohl die Pla­nun­gen den mei­sten schon bald mind. ein Jahr­zehnt be­kannt sein dürf­ten. Jetzt steht die brem­sen­de Wir­kung und da­mit ei­ne ne­ga­ti­ve Aus­wir­kung für mich im Vor­der­grund. Hät­te man sich hin­ge­gen recht­zei­tig ein­ge­schal­tet, dann hät­ten die Ar­gu­men­te schwe­rer ge­wo­gen und nicht aus­ge­rech­net die Pend­ler be­la­stet.

    2. Ist hier auch et­was Ver­bit­te­rung an­ge­bracht, dass für den Fran­ken­schnell­weg oder ei­ne Nord­an­bin­dung des Nürn­ber­ger Flug­ha­fens (Li­ste be­lie­big fort­setz­bar bis hin zu Neu­bau­ge­biets­zu­schnit­ten … ) die er­wähn­ten noch vor­han­de­nen Re­ste Na­tur nie­der­ge­met­zelt wur­den und wer­den (sic!), wäh­rend man sich an­schickt dem schnel­len Aus­bau des zwei­fel­los um­welt­freund­lich­sten Ver­kehrs­mit­tel hier ei­nen Strick zu dre­hen. Fakt ist doch auch: Nur mit dem Ver­schwenk wer­den neue Ort­schaf­ten und Be­rei­che über Fürth an den ÖPNV an­ge­bun­den. Wenn die­se di­rekt nach Nürn­berg an­ge­bun­den wür­den, setzt in Fürth so­fort das gro­ße Kauf­kraft-Ver­lust-Jam­mern ein, und wenn sie statt­des­sen beim IV blei­ben, muss das ge­ra­de für den Na­tur­lieb­ha­ber ei­ne un­be­frie­di­gen­de Lö­sung sein.

  5. Klaus Heller sagt:

    Bis­her ha­be ich mich in der Fra­ge Pro oder Con­tra Ver­schwenk nicht po­si­tio­niert. Nun weiß ich nicht wie weit sich die Geg­ner über die rein bau­li­chen Be­din­gun­gen kun­dig ge­macht ha­ben.

    Das er­ste S‑Bahn Gleis muss nach Norm ei­nen Min­destachs­ab­stand von 4,00 m zum Rei­se­ver­kehrs­gleis ha­ben. Von S‑Bahn Gleis zu S‑Bahn Gleis be­nö­tigt man nur noch 3,80 m Achs­ab­stand bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit klei­ner gleich 120 km/h. Vom Gleis zur Rand­be­bau­ung, wie Brücken oder Strom­ma­sten, ist von der Schie­nen­mit­te aus ein Licht­raum von 2,10 m ein­zu­hal­ten.

    Al­lein durch die­se Be­din­gun­gen, und die sind auf die Ge­ra­de aus­ge­legt, be­nö­ti­gen die bei­den S‑Bahn Glei­se ei­nen zu­sätz­li­chen Strei­fen von min­de­stens 7,90 m. Dies wä­re zum ei­nen ein ca. 8 m x 720 m lan­ges Wald­stück ent­lang des Stadt­el­ner Ab­schnit­tes das ent­fernt wer­den müss­te und ob die­se 8 m an dem Ge­wächs­haus an der Über­füh­rung nach Her­bolds­hof zu er­rei­chen sind, oh­ne in pri­va­te Bau­sub­stanz ein­zu­grei­fen, bleibt für mich frag­lich. An die­ser Stel­le wie­der auf 2 Glei­se zu­rück­zu­bau­en, wie bei Pro-S-Bahn zu se­hen, wür­de die S‑Bahn durch­ge­hend aus­brem­sen.

  6. Doc Bendit sagt:

    zu Kom­men­tar 22, Zei­tungs­ar­ti­kel:

    Und da­mit outet sich die FDP zum wie­der­hol­ten Ma­le als un­wähl­bar . Das Kil­ler­ar­gu­ment fin­de ich be­son­ders ge­ni­al: der Bau ist al­ter­na­tiv­los !

  7. Die Herr­schaf­ten von der FDP (aber lei­der nicht nur die) fal­len in der Tat zu­wei­len durch ei­gen­ar­ti­ge An­sich­ten auf. Ein be­son­ders ein­drucks­vol­les Bei­spiel blau-gel­ben Bür­ger­sinns ha­be ich sei­ner­zeit in mei­nen Blog aus­führ­lich pro­to­kol­liert...

  8. Chris sagt:

    zum The­ma »al­ter­na­tiv­los« : Sehr be­liebt un­ter an­de­rem bei Po­li­ti­kern: Das TI­NA-Prin­zip (The­re is no al­ter­na­ti­ve) http://de.wikipedia.org/wiki/TINA-Prinzip ver­bun­den mit ei­ner Pri­se Zeit­druck.

  9. Chris sagt:

    Zu 15:
    Für­ther Frei­heit sagt:
    5. Okt. 2010 um 6:57
    Pres­se­spie­gel: »Nürn­berg: ‘Wir brau­chen den S‑­Bahn-Ver­schwenk’« (NZ)

    Zi­tat aus die­sem Ar­ti­kel:

    »Der er­ste Be­trieb, der sich in Schma­lau-Ost an­sie­deln wer­de, ste­he mit dem Bon­bon­her­stel­ler Sold­an schon fest.«

    Die­se An­sied­lung ist ge­schei­tert, wie die­ser ak­tu­el­le Ar­ti­kel zeigt:
    http://www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/nuernberg/keine-bonbons-in-schmalau-soldan-umzug-geplatzt‑1.393815

    Auf Grund von Pro­ble­men beim Was­ser Zu- und Ab­fluss üb­ri­gens. Ob die­se Vor­aus­set­zun­gen, die Sold­an hin­der­ten, nicht auch für an­de­re Un­ter­neh­men wich­tig sind ? Vor al­lem wenn sie viel Per­so­nal be­schäf­ti­gen, dass mit der S‑Bahn fah­ren kann, und nicht nur rie­si­ge La­ger­plät­ze zum Alt­ei­sen­re­cy­cling.

    Es gibt üb­ri­gens auch ei­ne Hoch­was­ser­pro­ble­ma­tik in die­sem Ge­biet, wo der Gei­ster­bahn­hof ent­ste­hen soll. (sie­he http://www.horstarnold.de/index.php?id=26)

  10. Chris sagt:

    Un­wort des Jah­res 2010 : »al­ter­na­tiv­los«

    Das Wort sug­ge­rie­re sach­lich un­an­ge­mes­sen, dass es bei ei­nem Ent­schei­dungs­pro­zess von vorn­her­ein kei­ne Al­ter­na­ti­ven und da­mit auch kei­ne Not­wen­dig­keit der Dis­kus­si­on und Ar­gu­men­ta­ti­on ge­be. Be­haup­tun­gen die­ser Art sei­en 2010 zu oft auf­ge­stellt wor­den, sie droh­ten, die Po­li­tik­ver­dros­sen­heit in der Be­völ­ke­rung zu ver­stär­ken.

    http://www.tagesschau.de/inland/unwortdesjahres110.html

  11. Chris sagt:

    Pres­se­spie­gel: »Auf­trieb für Ver­schwenk-Geg­ner« (FN)

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