Im Labyrinth der Kameralistik
1. Dezember 2010 | von Michael Müller | Kategorie: PolitikDie Kameralistik, die Buchführung von Körperschaften öffentlichen Rechts – wie der Stadt Fürth – bildet Zahlungsströme ab, d.h. Einnahmen und Ausgaben. Je feiner die Titel der Zahlungsströme aufgegliedert werden – man will ja Transparenz, d.h. Durchschaubarkeit schaffen – desto verzwickter wird das System. Die Kameralistik wird zum Labyrinth. Und die Zahlungsströme werden damit zu einem Rätsel, dessen Auflösung selbst seine Schöpfer vor Probleme stellen kann.
Im letzten Jahr schlugen die Kameralistik-Wogen im Rathaus hoch, weil zwei CSU-Stadträte den Strom eines 31 Mio. € Darlehens nachverfolgen wollten. Der Zuspruch aus der Fürther Öffentlichkeit, für diesen Vorgang Transparenz zu schaffen, blieb überschaubar. Dabei müssten es die Bürger dieser Stadt doch begrüßen, wenn kritisch hinterfragt wird, was es mit ihren Einnahmen und Ausgaben auf sich hat. Und tatsächlich hatten sich die Zahlungsströme im Labyrinth der Kameralistik als zinslose Kredite verselbständigt, bekannte doch schließlich auch der Kämmerer: »Solche Darlehen im Kassenverbund müssen zeitnaher verzinst werden, das muss man in Zukunft besser machen« (FN vom 23.11.2009).
Und jetzt haben sich in unserer Stadt schon wieder Zahlungsströme im Labyrinth der Kameralistik verirrt: Es geht um 64.000 € Altschulden vom MTV Fürth, eine vergleichsweise geringe Summe. »Über Jahre wurde in einer Art Parallelwelt zum offiziellen Haushalt Buch über den Schuldenstand des MTV geführt.« Die neue Kämmerin Stefanie Ammon vermutet, das war »gang und gäbe«, und klärt jetzt auf. Respekt! Der Bürgermeister Markus Braun beschwichtigt, »dadurch ist niemandem ein Schaden entstanden« (FN von 23.11.2010). Woher weiß er das? Hinter kleinen Salden stehen manchmal große Beträge...
Dass niemandem etwas aufgefallen ist, das ist das eigentlich Bedenkliche. Und dass man für die Klärung jetzt um Geduld bittet, zeigt doch, dass der Fall komplizierter zu sein scheint. Das alles sollte den Bürger skeptisch stimmen. Und da ist es anerkennenswert, dass wiederum Siegfried Tiefel, ein Querdenker in seiner Partei, sich als einziger Stadtrat für eine restlose Klärung des Falles stark macht. Für ihn zählt das zu seinen Aufgaben als Stadtrat. Ein echter Vertreter von Bürgerinteressen. Im Dunkel der Beliebigkeit bleiben dagegen seine 49 Kolleginnen und Kollegen.
Dass es vermutlich noch einiges aufzuarbeiten gäbe, zeigt die Zahlen-Artistik um die Fürther Bäderlandschaft (siehe Beitrag »Millionen zischen durch die Röhre«). Bei diesem Vorgang werden Kameralistik und kommerzielles Rechnungswesen zu einer Art Doppellabyrinth zusammengebunden, in dem jeweils eigene Regeln der Rechnungslegung gelten.
Es scheint, Philosophen haben recht, wenn sie uns sagen: »Nicht der gerade Weg bringt dich weiter, Umwege führen zum Ziel« oder »Ein Labyrinth ist der zuweilen magische Schutz eines Mittelpunktes«.