Für dumm verkauft?
9. Februar 2011 | von Michael Müller | Kategorie: PolitikWird der Bürger endlich ernst genommen, wenn es um Verantwortung bei den kommunalen Finanzen geht?
In einer Rede zum Ethos des Politikers am 8. Mai 2007 in Tübingen legte Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt seinen Zuhörern dar, dass »vor allem die Kontrolle der Politik durch die wählenden Bürger und durch ihre öffentliche Meinung« notwendig sei, um gute von miserabler Politik zu unterscheiden.
Auf kommunaler Ebene lässt sich dieser Aufforderung dort am besten nachkommen, wo es um die Finanzen geht. In ihren Jahresabrechnungen legt eine Kommune Rechenschaft über die Einnahmen und Ausgaben der Vergangenheit ab und zeigt auf, ob Rücklagen gebildet oder Schulden gemacht wurden. In den Haushaltsplänen wird über die Einnahmen und Ausgaben künftiger Jahre befunden, ob und wo gespart wird, ob und wofür Kredite aufgenommen werden müssen.
Bei den Haushaltsberatungen liegen die Vorstellungen der Parteien hierüber häufig weit auseinander. Das Gewicht der Verantwortung wird eben unterschiedlich empfunden. Die eine Fraktion setzt sich kräftig für Wohltaten ein, die eigentlich nicht finanzierbar sind, die andere Fraktion hat den weiter wachsenden Schuldenberg im Auge und mahnt zur Sparsamkeit. In ihren Haushaltsreden legen die Fraktionen, aber auch einzelne Stadträte, Rechenschaft darüber ab, warum der Haushaltsplan gerade so und nicht anders geraten ist, was sie von ihm halten und wofür sie sich eingesetzt haben. Hier erfolgt ein Blick hinter die Kulissen oder auf die Finten, mit denen Wählersympathien gewonnen werden sollen.
Soweit, so gut. Und jetzt berät der Ältestenrat in Fürth darüber, ob alle Haushaltsreden, auch die von Einzelstadträten, dem Bürger künftig in voller Länge im Internet präsentiert werden sollen (dürfen). Bisher musste dieser mit redigierten Kurzfassungen in der Stadtzeitung vorlieb nehmen. Eine Kommentierung, auch wenn diese als »Senf«–Beigabe bezeichnet wird (FN vom 5. Februar 2011) – der Fürther wird anscheinend als einfältig eingeschätzt – war bisher nicht möglich. So immunisierte die Politik ihr Tun, statt es in Wort und Zahl offen zu legen. Ein Armutszeugnis im Zeitalter der Informationstechnik und angesichts der Tatsache, dass Politiker jede Woche mit Scheckformularen, Ehrenurkunden, Solardächern usf. jeden Platz in den Fürther Nachrichten und der Stadtzeitung finden, um sich zu profilieren.
Was also tut not, um gute von miserabler Politik zu unterscheiden? Ein von der Kämmerei jedes Jahr knapp und gut aufbereitetes Zahlenwerk in Jahresrechnung und Haushaltsplan im Internet, das dem Bürger einen Einblick in das Finanzgeschehen seiner Kommune gibt. Und dazu die Stellungnahmen der Verwaltung und Stadträte in voller Länge, damit offenbar wird, wer seine Verantwortung für die Kommune in welcher Form wahrnimmt. Man wünscht sich doch Persönlichkeiten und wenigstens ein Minimum an Diskussion zwischen Regierung und Opposition. Der Querdenker Siegfried Tiefel hat letzthin ein Beispiel hierfür in der »Fürther Freiheit« geliefert.
Ob beim Haushalt oder der Neuen Mitte: In den Fächern Demokratie und Bürgerbeteiligung sollte der OB dringend Nachhilfe nehmen.
Der Vorschlag, umfangreichere Informationen zum Haushalt und die kontroversen Kommentare dazu ins Internet zu stellen, ist unbedingt zu begrüßen.
Die offizielle Seite der Stadt Fürth ist ungeeignet. Die Seite der Stadtzeitung wäre die richtige: Ob natürlich das Bürgermeister- und Presseamt mit ihrem Chef daran Interesse hat, ist momentan zu bezweifeln.
Schade ist, dass nur ein Einzelstadtrat und die Grünen den Mut finden, vorliegendes Material bei der Fürther Freiheit reinzustellen. Sind die Fraktionszwänge so stark, um das zu verhindern? Oder gibt es Informationen und Kommentare, die nicht so sehr in das Licht der Öffentlichkeit gestellt werden sollen?
Sehr geehrter Herr Schermann!
Was halten Sie davon, sich einmal gegenüber der Stadtobrigkeit in dieser Richtung zu artikulieren? Sie kennen es doch aus eigener Lebenserfahrung, dass nette Vorschläge und freundliche Aufforderungen der Unterstützung vieler Stimmen bedürfen, um wahrgenommen und umgesetzt zu werden. Und wenn Sie dann aus Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis noch einige Gleichgesinnte als »Mitmacher« gewinnen können, dann bekommt die Artikulation noch mehr Gewicht.
Also, wie hat es Erich Kästner formuliert : »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.«
Habe soeben folgendes Schreiben an das Rathaus gefertigt:
Brief an Bürgermeister- und Presseamt
Betr: Nachfrage wg. Haushalt 2011
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wollte mich über die Haushaltssituation meiner Stadt kundig machen, und musste feststellen, dass das sehr schwierig und aufwändig ist.
Beispiel: Beim Suchen im Internet finde ich die Haushaltsreden der Fraktionen oder der fraktionslosen Mitglieder teilweise gar nicht bzw. verkürzt. Eine Übersicht über die wichtigsten Haushaltstitel finde ich nicht.
So weit mir bekannt ist, gibt es für Vorlagen in den Ausschüssen eine Serviceweb-Seite, die aber auch für öffentliche Sitzungen für Normalbürger nicht zugänglich ist.
Fazit: Das Informationsbedürfnis eines interessierten Normalbürgers wird nicht gestillt.
Ich sehe ein, dass der Stadtzeitung bei der momentanen defizitären Lage nicht zugemutet werden kann, detailliertere Informationen zu drucken.
Es müsste aber möglich sein, auf der Internetseite der Stadt Fürth für den mündigen Bürger eine Extra-Abteilung mit ausführlichen Darstellungen (Einzelhaushalte / Haushaltsreden) einzurichten. Die Unterlagen sind ja schon digitalisiert und müssen nicht mehr aufbereitet werden.
In Erwartung Ihrer Antwort
mit freundlichen Grüßen
Gutes Schreiben! Drücke die Daumen!