Bahn-Baustelle Fürther Bogen – das vierte Jahr
12. Februar 2011 | von Hucky Schermann | Kategorie: VerkehrMan erinnere sich: 2008 wurde mit dem Ausbau des »Fürther Bogens« für die S 1 begonnen. Beseitigung einer Menge von Kleingärten, Bautätigkeiten bis an Grundstücksgrenzen, riesige Erdbewegungen, Monstermaschinen ohne Lärmschutz zur Versenkung von Bohrpfählen, Betonierungsarbeiten und Neubau von Unter- bzw. Überführungen, Gleisbau, Oberleitungsbau...
Und das momentane Ergebnis? Es liegen zwei Fernbahngleise, die von einer provisorischen S‑Bahn mitbenutzt werden. Auch die Bahnsteige in Unterfarrnbach und am Bahnhof Fürth sind nur eine Übergangslösung. Der weitere Trassenverlauf nach Erlangen ist strittig.
Niemand der direkten Anlieger ist zu beneiden: Neben den immensen Belästigungen durch Lärm, Staub, Schlamm, Abgasen während der Bautätigkeiten lässt sich jetzt schon feststellen, dass die Konstruktion der Betonschlucht im laufenden Betrieb durch Reflexionen mehr Lärm (besonders bei Güterzügen) freisetzt als vorher. Das Protestplakat »Danke Bahn – Beton statt Bäume« eines Hausbesitzers an der Bahnlinie zeigte schon am Anfang der Bauphase die Wut und vielleicht auch Verzweiflung der Betroffenen.
Dieses Jahr wird es auf alle Fälle bis zur Vacher Straße weitergehen. Es müssen noch weitere zwei Gleise gelegt werden, und das bedeutet erst mal wieder Aushub von Erdreich, Setzung von Bohrpfählen und Erweiterung der Betonschlucht.
Im Auftrag der Bahn arbeitet ein Konsortium von Firmen unter der Leitung von ZÜBLIN. Die Baufirmen wiederum beauftragen für die nötigen Transporte von Aushub Transportunternehmen. Diese haben dann Fahrer, die teilweise als Subunternehmer arbeiten.
Und hier beginnt die Geschichte eines betroffenen Anliegers, der sich 2010 auf die Suche nach Verantwortlichen machte...
Am Rand eines Ackers – im Abstand sichtbar die Bahnlinie – gibt es einen Feldweg (Verkehrsschild: Schlechte Wegstrecke – frei für landwirtschaftlichen Verkehr ). Hier begibt es sich seit nun 3 Jahren, dass sich mehr oder weniger schwere LKW in wechselnden Populationen hin und her bewegen.
Seltsam war oft, dass vierachsige Baustellenfahrzeuge Erdaushub nach unten transportierten und nach drei bis vier Wochen Sattelschlepper ihn wieder fort brachten. Gar nicht seltsam laut Eisenbahn-Bundesamt: Da unten ist eine Zwischendeponie und das Material wird erst nach Beprobung zur Weiterverwendung oder zur Deponierung abtransportiert. Das Verfahren ist laut Ordnungsamt der Stadt Fürth genehmigt und eine Überprüfung der konkreten Emissionswerte (Lärm / Abgase / Staub) erübrigt sich, da ja ein Planfeststellungsbeschluss vorliegt – und das ist schon eine Unverschämtheit, wenn man die konkrete Situation kennt (ich denke es ist auch ein Kostenfaktor für die Baufirmen, denn der kurze Weg der Fahrzeuge zur Zwischendeponie ist für den Arbeitsprozess wesentlich effizienter als das Ganze gleich weiter weg zu fahren).
Fatal wurde es, als gleichzeitig versucht wurde, Material hinunterzufahren und anderes wegzubringen. Im Überschwang der Bauaktivität scheint man nicht berücksichtigt zu haben, dass der Zufahrtsweg durch ein (zugeparktes) Wohngebiet führt und ein Feldweg eben nur eine Spur hat. Wir als Anlieger haben es wenigstens erreichen können, dass die wartenden Fahrer zumindest die Motoren ausmachten und nicht im Leerlauf weiterwummern ließen...
Im heißen Juni / Juli 2010 begab es sich auch, dass diese teilweise sehr orientierungslosen Trucker wegen der Kirchweih im »Eigenen Heim« weitere Nebenstraßen im Wohngebiet durchfahren mussten und noch mehr Leute sich aufregten als normalerweise. Hier scheint es dann – vielleicht auch durch Druck von städtischer Seite – bei höherer Stelle geschnackelt zu haben und man machte sich daran, eine zweite Deponie am Hafen Fürth einzurichten.
Schrecklich war vorher noch dieser tödliche Unfall, bei dem ein 13 jähriger Schüler von einem dieser Vierachser überrollt und zermalmt wurde. Der Fahrer – alleine, ohne Einweiser, rückwärts auf einem öffentlichen Weg – hat ihn übersehen. Die Verantwortung liegt (vor Gericht) wahrscheinlich bei ihm, nicht an der beauftragenden Firma, nicht am Bauleiter. Komisch nur, dass erst nach diesem Ereignis (nach 2 Jahren!) Wege gesperrt und Sicherungskräfte bei allen Ein- und Ausfahrten der Baustellen aufgestellt wurden.
Es gab aber wieder Tage, da wurden wir vom Lastwagenverkehr im Minutentakt drangsaliert, mit großer Staub- und Lärmbelästigung. Aus Verzweiflung ließ ich dann einmal für eine Stunde die Videokamera laufen. Und siehe da: Sie fuhren wenigstens endlich mal langsamer!
Übel wurde es dann trotzdem noch, als plötzlich nachts gefahren wurde. Ich versuchte bei einem LKW-Fahrer, den ich aufhielt, den Auftraggeber für diese Touren (Bauleiter?) herauszufinden. Meine Wut wuchs, als ich nur die pauschale Antwort »Die Bahn« erhielt. Ich musste mich zurückhalten, ihm den Weg zur Weiterfahrt zu blockieren: Ist ja Nötigung... Nötigung gegen Körperverletzung?
Am nächsten Tag machte ich mich dann auf zur Suche nach einem Verantwortlichen. Ein Arbeiter gab mir dann den Hinweis, wo die Bauleitung zu finden war. Als ich den Mann zur Rede stellte, wurde mir frech geantwortet, dass doch nur drei bis vier Fahrten stattfanden. Ich hätte ihm beinahe eine gescheuert. Es waren allein 20 Fahrten zwischen 22 und 2 Uhr! Und das knapp am Schlafzimmerfenster vorbei über einen holprigen Feldweg – nicht mit moderater Geschwindigkeit!
Wiederum durch Zufall hat mir jemand den Tipp gegeben, dass es eine Bauaufsicht gibt – im ehemaligen Grundig-Gebäude an der Würzburger Straße. Dort war endlich jemand zu finden, der das schon geplante Treiben in den nächsten Nächten durch einen Telefonanruf beim Bauleiter stoppte.
Bei dieser Bauüberwachungszentrale (BÜZ), Telefon 9887998–0 werde ich mich dieses Jahr wahrscheinlich öfter beschweren müssen, wenn die Belästigungen unerträglich werden.
Nachsatz: Ich habe der Baufirma auch vorgeschlagen, eine weitere Deponie mit Zufahrt außerhalb eines Wohngebiets aufzumachen, auf einer Fläche im ehemaligen Kasernengebiet mit Zufahrt über die Hafenstraße. Das wurde aber wegen umständlicher Genehmigungsverfahren abgelehnt.
Resümee: Bei so einer umfangreichen Baumaßnahme mit vorhersehbaren Belästigungen müsste eine ganz andere Informationspolitik stattfinden. Es genügt nicht – wie in Fürth geschehen – eine Ausstellung zum Bahnprojekt Deutsche Einheit zu organisieren. Betroffene brauchen direkte Ansprechpartner. Bauleitungen müssen ihre beauftragten Subunternehmer kontrollieren. Das Ordnungsamt müsste sich einmischen und nicht nur Eidechsen umsiedeln – wie in Fürth geschehen. Das Straßenverkehrsamt sollte auch hier Kontrollfunktion übernehmen – bis heute sind Beschilderungen im näheren Umfeld nicht in Ordnung, obwohl es mehrfach moniert wurde. Die betroffenen Anwohner sollten von den Baufirmen zumindest schriftlich benachrichtigt werden, wenn absehbare Belästigungen zu erwarten sind.
Wir sind hoffentlich 2012 erlöst. In Stadeln geht es dann (vielleicht) weiter.
Lärm, Dreck, ein undurchschaubares Firmengeflecht ohne ansprechbare Verantwortliche, eine Bauleitung, die lügt bzw. freche Antworten gibt, eine Bauaufsicht, die nicht von selbst aktiv wird, sondern sich erst mal suchen und finden lässt, fehlende Informationenen von der Bahn und von der Stadt und untätige Ämter. Das alles gipfelt dann noch im tragischen, aber bei solchen Zuständen in einem Wohngebiet fast absehbaren Tod einen 13-jährigen Jungen, der von so einem Truck überrollt wird.
Juristisch schuld ist wieder einmal nur der kleine Mann (LKW-Fahrer als Subsub...»unternehmer«), aber einen Verantwortlichen für die Gesamtsituation wird man nicht finden, weil erst gar nicht gesucht wird.
Wundert es noch jemanden ernsthaft, wenn die Bürger zu Wut-Bürgern werden?
Ich kann das alles bestätigen was Herr Schermann geschrieben hat. Auch ich habe mich schon x‑mal bei der Bahn und bei der Stadt beschwert (auch bei der Bürgerversammlung). Ich bin extra in eine ruhige Wohngegend gezogen und nun ist es jetzt schon das 3. Jahr, daß man mit extremen Lärm, Staub und Abgasen (auch Nachts) in einer 30 Zone Wohngegend zurecht kommen muß. Die LKW fahren bereits schon jetzt wieder fast pausenlos.
Danke für den erhellenden Bericht. Eine gute Referenz, wenn von Seiten der Stadtspitze mal wieder die eigene Bürgernähe und Transparenz gelobt wird...
»Monstermaschinen...Beseitigung von Kleingarten...Betonschluchten...etc pp.« Der gesamte Artikel ist bei aller berechtigten Kritik vor allem eines: furchtbar polemisch!
1. Was, bitteschön, ist denn an der Äußerung »Beseitigung von Kleingärten« polemisch?
2. Die Äußerung »furchtbar polemisch!« ist natürlich selbst gar nicht polemisch, sondern rein sachlich – oder?
Und selbst wenn sich hier ein Autor eingermaßen polemisch äußern würde: Wir veröffentlichen hier namentlich gekennzeichnete Beiträge, die ausweislich unseres Impressums die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wiedergeben. Da geht alles durch und in Ordnung, was die Grenzen des Anstands und des strafrechtlich Relevanten respektiert.
Ich persönlich finde es im vorliegenden Fall sogar besonders bemerkenswert, daß da einer nach Jahren des zermürbenden Gerumpels direkt vor seiner Nase noch einigermaßen moderate Worte findet. Meiner einer hätte als Betroffener das Geschehen (bzw. das Nicht-Geschehen) weit zynischer kommentiert...
Pressespiegel: »DB beklagt ‘Pfusch’ beim S‑Bahn-Ausbau« (FN)
Pressespiegel: »S‑Bahn-Strecke wächst im Schneckentempo« (FN)