In the mood – Jazz in Fürth
13. Mai 2012 | von Alex Schulz | Kategorie: KulturGabi Rech sucht nach der richtigen Getränkekarte, während Karin Neeb bei den ersten Gästen 5.- € kassiert. »Einsteiger« dürfen an diesem Abend gratis ins Zett9 – aber nicht umsonst! Werner Hausen hat für den 10. Januar wieder eine veritable Grundbesetzung gefunden: Gemeinsam mit Georg Rosenbauer am Kontrabaß, Ali Bourmond am Schlagzeug und Max Link aus Würzburg an der Klarinette wird der Jazzpianist diesmal das erste Set spielen. Hinter der trockenen Aufzählung von Namen stehen zusammengerechnet viele Jahre an Bühnenerfahrung, Versiertheit am Instrument, ein hochentwickeltes Gefühl für Timing und vor allem für das, was ich die Seele des Jazz nenne. Und das kommt rüber.
Ein- bis zweimal im Monat (außer in den Sommermonaten) organisiert Werner Hausen vom Verein »FÜ-JA ZZ« eine Jazzsession, die Musikern – Profis oder Amateuren – die Möglichkeit gibt, einzusteigen, und das unabhängig von einer Mitgliedschaft im Verein. Das Angebot ist bewußt offen gestaltet, es geht nicht um Vereinsgeklüngel, sondern um die Möglichkeit, Musik neu zu erleben – und es ist immer wieder spannend, wenn neue Leute dazu kommen. In der Regel spielt eine feste Besetzung die erste Runde. Man kann als Einsteiger erstmal zuhören und sich durchaus von der Qualität der Akteure beeindrucken lassen – danach gibt es die Gelegenheit zum Mitmachen. Man weiß nie, was dabei rauskommt!
Aber wie funktioniert das in der Praxis? Ist Jazz nicht kompliziert und woher weiß der Einzelne, was er spielen kann und wann Anfang und Ende seines Parts gekommen sind? Auf den ersten Blick hat dieses Geschehen nicht viel mit mit der Vorgehensweise zu zun, die viele von früher aus dem Instrumentalunterricht kennen: zu versuchen, möglichst korrekt umzusetzen, was man auf einem Notenblatt entziffert hat.
Es gibt eine Vielfalt sogenannter Standards – jedem Jazzer bekannte Stücke, die als Basis für Sessions genutzt werden. Einige davon sind allgemeiner bekannt: z.B. »Summertime«, ursprünglich aus der Oper »Porgy und Bess« von George Gershwin und DuBose Heyward, dürften die meisten schon einmal gehört haben. Es wurde unzählige Male interpretiert, auch von Nichtjazzern wie Janis Joplin. Viele davon, wie beispielsweise Duke Ellingtons »Caravan« in »Oceans Eleven«, wurden als Filmmusik eingesetzt.
Dieses Grundmaterial also stellt die gemeinsame Sprache der Musiker dar, ist das solide Fundament für solistische Ausflüge in unbekannte Gefilde und wieder zurück.
Aber Sessions sind und waren noch viel mehr – nämlich stilprägend für die Entwicklung dieser Musikgattung. Laut Knut von Maydell »hätte die amerikanische Musikergewerkschaft Anfang der 40er beinahe verhindert, dass Jazzfans jemals in den Genuss ‘echter’ Jam-Sessions gekommen wären. Denn Jam-Sessions waren ursprünglich so eine Art exklusiver ‘After work club’ für Jazzmusiker, ein lockeres Beisammensein nach einem offiziellen Konzertauftritt, das der Kommunikation oder auch als Jobbörse diente und bei dem man anwesende Freunde und Bekannte zum spontanen gemeinsamen Musizieren (‘Jammen’) auf die Bühne bat – alles ohne Publikum. Als sich aber mitten in der Swing-Ära Jazzfans, die von ganz und gar durchkommerzialisierter Tanzmusik abgestoßen waren, auf die Suche nach dem ‘echten Jazz’ machten, waren sie vielfach der Überzeugung, er könne doch nur in kleinen Clubs, in fast geheimen Zirkeln überhaupt noch zu hören sein. Was die Musiker unter sich ausmachten, spontane Sessions, das musste der wahre Jazz sein! So tauchten die hartnäckigsten Fans bald bei den Jam-Sessions als ehrfürchtig lauschendes Publikum auf. Und eben das erregte den Ärger der Musikergewerkschaft, denn die Jazzmusiker, ohnehin lausig bezahlt, sollten vor Publikum gefälligst nur gegen Gage spielen. Teilweise wurden sogar Geldbußen verhängt gegen Musiker, die an Jam-Sessions teilnahmen. Entweder Konzert oder nicht Konzert. Der Streit wurde schließlich beigelegt, indem man sich darauf einigte, dass das Publikum einer Jam-Session nur einen kleinen Betrag als Eintritt zahlen sollte, der aber eher symbolische Bedeutung hatte.« (vgl. Knut von Maydell: Was ist eine Jam-Session?)
Der heutige Vorsitzende Werner Hausen schätzt vorallem die herzliche Atmosphäre bei den Fürther Sessions. Wie viele andere mag er die Interaktion zwischen den Musikern, die immer für etwas Neues gut ist, die ungezwungene, lockere Freude an der Musik, für die die Fürther Sessions bekannt sind. Und wer zuhört, weiß, was gemeint ist!
Hin und wieder kann der Besucher auch den Live-Zeichner Horst Müller bei der Arbeit beobachten. Müller hat schon bei Konzerten in vielen Städten die Atmosphäre eingefangen und hatte bereits Ausstellungen anläßlich der 30. Jazzwochen in Burghausen und dem Jazzherbst in Salzburg.
Damit wieder zurück zum FÜ-JA ZZ, dem Verein, der das Biotop für den Jazz in Fürth darstellt: Die »Obdachlosen« vom FÜ-JA ZZ in Fürth konnten bis Anfang Mai eine ansprechende Notunterkunft ergattern. Damit erhält auch eine äußerst anspruchsvolle Musikform Asyl, die in unserer Stadt von engagierten Musikern und Liebhabern dieses Stils gepflegt wird. Inzwischen stellt das Jugendzentrum Zett9 in der Theresienstraße – gleich in der Nähe des Parkhauses – auch eine vielversprechende Option für die Zukunft dar. Derzeit wird es renoviert, aber danach voraussichtlich zur dauerhaften Spielstätte werden.
Seit seiner Gründung 1990 in der Musikschule Fürth ist FÜ-JA ZZ immer wieder umgezogen – am Anfang fanden Konzerte in den damaligen Räumen der Musikschule in der Kaiserstraße statt, wo auch viele der damaligen Teilnehmer ihrer Arbeit als Musiklehrer nachgingen. Robert Wagner und Budde Thiem waren damals die ersten Vorsitzenden. Gründungsmitglied und Posaunist Alfred Sankowsky, der heute im Verein als Kassierer engagiert ist und sich auch um Fördergelder kümmert, erinnert sich gut: Damals sei die Szene hauptsächlich in Nürnberg mit seinem traditionsreichen Jazz Studio ansässig und in Fürth in Sachen Jazz nichts los gewesen.
Konzerte gab’s auch im sog. »Arschbackencafé« am Letrahaus an den Bahngleisen, wo etwa Susanne Schönwiese gastierte. Sie bereichert heute regelmäßig als Dozentin für Gesang die Jazz-Workshops der Musikschule.
Weiter zog man für 3 Jahre in den Raum 4 unter dem Babylon Kino in der Nürnberger Straße, das allerdings dichtmachte, als Betreiber und damals 2. FÜ-JA ZZ Vorsitzender Markus Scherb nach Berlin zog. Das war 2009. In der Not organisierte Werner Hausen die erste Sommersaison auf der Fürther Freilichtbühne im Stadtpark – idyllisch, aber eben wetterabhängig.
Ab dem Herbst 2009 war das BikuL der Stadt Fürth, also das Bildungs- und Kulturzentrums Lindenhain in der Kapellenstraße Heimat des FÜ-JA ZZ. Doch nachdem die Stadt – die den gemeinnützigen Verein andererseits nach wie vor mit Fördergeldern stützt – gewinnorientiertes Arbeiten von ihren Mietern forderte, mußten 2011 um die 20 Gruppen das BiKul verlassen. Das jedoch ist eine andere Geschichte. Aktuelles dazu war in den FN vom 7. März zu lesen.
Nun also das Zett9.
Doch natürlich beläßt es der FÜ-JA ZZ nicht bei den zunächst vorgestellten Sessions. In seiner Geschichte hat er – wirklich! – unzählige Konzerte veranstaltet und die Musikszene in Fürth enorm bereichert. Wer nachzählt, kommt allein für das Jahr 2009 auf 36 Konzerte, teils mit bekannten Größen der Jazzszene wie Achim Göttert, Willetta Carson oder Uwe Kropinski, aber vor allem mit vielen lokalen Bands.
Früher war das anders. Als Werner Hausen 2008 nach einem längeren »Dornröschenschlaf« den Vorsitz des FÜ-JA ZZ übernahm, fand damit auch eine Neuausrichtung, weg von wenigen großen Konzerten und hin zu Gigs mit lokalen Musikern, kleineren Besetzungen und regionaler Förderung statt. Er fragte sich, »wo bleiben wir denn, wenn nur die Großen spielen und wo soll der Nachwuchs denn herkommen?«. Ein aktueller Beitrag auf ZEIT ONLINE gibt einen interessanten Einblick in die teils sehr prekäre Lage der Jazzmusiker in Deutschland.
Bei der Recherche zu diesen Zeilen ist mir aufgefallen, daß es in den ganzen Jahren seit der Gründung des Vereins viele positive Berichterstattungen über dessen Konzerte gab. Oft war die Rede von einem mitreißenden Programm etc.. Dennoch ist Jazz hier ein Gewächs, das anscheinend über relativ wenige Anhänger verfügt. Auch ein Grund für den Verein, sich jüngst am 1. Welttag des Jazz, den die UNESCO für den 30. April ausgerufen hatte, in der Konrad Adenauer-Anlage zu präsentieren.
Eins der vielen Highlights war sicherlich die »DeutschlandRundfahrt«, eine Livesendung des DeutschlandRadios Kultur aus der Grünen Halle in der Südstadt. Damals wurden u.a. das Jüdische Museum sowie der Jacob Wassermann-Literaturpreis vorgestellt, alles untermalt von Fürther Jazzern inklusive Interview – ob es das erste Mal war, daß Stepptanz im Radio übertragen wurde?
Oder welcher der Besucher könnte das Konzert mit der umwerfenden Sängerin Jeanne Carroll zu ihrem 80. (wirklich!) Geburtstag vergessen?
FÜ-JA ZZ hat aktuell 25 Mitglieder, einige davon unterstützen die Arbeit ideell, mit handfester Mitarbeit oder finanziell, andere sind selbst Musiker und treten auf. Der Jahresbeitrag beträgt derzeit 60.- € und garantiert dafür freien Eintritt zu den Veranstaltungen. Nachdem das Faschings-Alternativprogramm »Senza Confetti« ausverkauft war, wird mit Sicherheit der Auftritt des Ausnahmegitarristen Uwe Kropinski auf der Freilichtbühne am 29. Juni im Rahmen seiner »60th Birthday Tour« ein Highlight sein. Für mich ein Anlaß, sentimental zu werden, war ein Konzert von ihm im Erlanger E‑Werk in meiner Jugend doch meine erste Berührung mit dem Jazz. Kropinsky wollte übrigens auf seiner Tour bewußt nach Fürth, um sein Jubiläum an Orten zu begehen, an denen es Spaß macht und wo nette Leute sind. Man könnte noch viel über die Historie und unvergessene Konzerte erzählen, noch eine Menge an Namen aufzählen, doch das würde den Rahmen sprengen. Wenn Sie interessiert sind, können sie auf der Seite des FÜ-JA ZZ im Archiv stöbern, Bilder anschauen oder sich über die nächsten Termine informieren. Diese sind auch im Veranstaltungskalender der »Fürther Freiheit« nachzulesen.
Eines werden Sie werden auf jeden Fall finden: Musiker, die noch wissen, dass das Leben keine Castingshow ist, die an sich arbeiten und gute Musiker sein wollen – nicht in erster Linie Stars: