Eine persönliche Bilanz der BI Bessere Mitte Fürth und eine Chronik der Ereignisse bis heute
24. Oktober 2012 | von Christofer Hornstein | Kategorie: HäuserkampfIn der gut besuchten Mitgliederversammlung der BI am Dienstag, den 23.10.12 habe ich wie mehrfach intern angekündigt nach vier Jahren mein Amt als Sprecher niedergelegt. Die aktuelle Diskussion über den Architektenwettbewerb hat mir gezeigt, dass es innerhalb der BI keine belastbare Übereinkunft gibt, was unter »stadtverträglicher« bzw. »qualitätvoller« Architektur zu verstehen ist. Die Bürgerinitiative kann dies meiner Ansicht nicht leisten. Ich möchte (und kann) mich dieser mehr oder weniger geschmäcklerisch geführten Diskussion nicht als Sprecher einer Bürgerinitiative stellen, sondern nur als ein im Städtebau und Denkmalschutz engagierter Architekt.
Anlässlich der Niederlegung meines Sprecheramtes in der Bürgerinitiative »Bessere Mitte Fürth« aus o.g. Gründen scheint es mir geboten, eine Bilanz zu ziehen und die Chronik der Ereignisse rund um die »Neue Mitte« und die BI bis heute stichpunktartig Revue passieren zu lassen.
Dabei liegt mir in erster Linie am Herzen, alteingesessene und neu zugezogene Bürger zu ermuntern, sich auch in Zukunft konstruktiv in Gestaltungsprozesse für IHRE Stadt einzubringen. Meine persönlichen Erfahrungen sind sicher nicht durchweg positiv, aber die Erfolgsgeschichte der BI »Bessere Mitte Fürth« zeigt, auf vielen Ebenen beginnt ein Paradigmenwechsel im Stadtgestaltungsprozess und Bürgerengagement kann sich durchaus lohnen!
Die Chronik
Mitte 2008
Die Stadtspitze stellt euphorisch die Planungen des portugiesischen Investors Sonae Sierra zum Bau eines innerstädtischen, geschlossenen Einkaufscenters vor. Über ein Jahr dauernde, weitestgehend geheime Gespräche mit dem Investor gehen dieser Präsentation voraus. Der Investor wird als Heilsbringer für die Beendigung des desolaten Zustandes der Einkaufstadt Fürth gefeiert. Der Einzelhandel und der Großteil der Bürger sind begeistert. Einzig der Stadtheimatpfleger warnt.
Ende 2008
Der Widerstand gegen die Pläne wächst, als in der Öffentlichkeit realisiert wird, dass die Rudolf-Breitscheid-Straße, die zentrale Ost-West-Achse der Innenstadt, für das neue Einkaufszentrum privatisiert werden soll. Es formiert sich die Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth« gegen die Pläne der Stadtspitze und des Investors. Über 100 Besucher mit sehr unterschiedlicher Motivation kommen auf die Gründungsversammlung. Formulierung eines 8‑Punkte-Programms als Agenda. Hauptpunkte: Kein Entwidmung öffentlichen Raumes, Schutz der denkmalgeschützten Ensemble und Reduzierung der geplanten Verkaufsfläche von 25.000 m² auf max. 15.000, um »Staubsaugereffekte« für die restliche Innenstadt zu vermeiden.
Bis Mitte 2009
Diverse Aktionen der BI-Aktivisten (ca. 40 Personen): Infostände in der Fußgängerzone, Bürgergespräche, Pressearbeit, Stadtfest mit Musik, Unterschriftenlisten, Bürgerbefragungen u.ä., Vortragsveranstaltungen mit Dr. Pump-Uhlmann (Autor von »Angriff auf die City«), Dr. Exner vom BlfD zum Thema Denkmalschutz, Dr. Müller (BI-Mitglied) zum Thema Wirtschaft und Kaufkraft in Fürth, Dr. Hornstein zur städtebaulichen Situation, Infoveranstaltung mit Vertretern von Bürgerinitiativen aus anderen Städten mit ähnlicher Problematik, Aufbau einer professionellen Webseite, regelmäßige BI-Treffen für jedermann, KONSTRUKTIVER PROTEST (Erarbeitung von Gegenkonzepten für ein offenes, kleineres Center und Kontaktaufnahme zu anderen Investoren), Beginn der Unterschriftensammlung und Vorbereitung eines Bürgerentscheides. Abnehmende Begeisterung der Öffentlichkeit für das Sonae Sierra-Projekt v.a. bei der gut informierten Bevölkerung.
Mitte 2009
Rückzug des Investors, weil der Besitzer eines zentralen Grundstückes auf dem Areal nicht zum Verkauf bereit war.
Seit Mitte 2009 bis Mitte 2011
Komplettes Umdenken in der Stadtspitze:
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Die Stadt erwirbt die betreffenden Areale und nimmt endlich das Heft des Handelns in die Hand.
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Die Stadt schreibt ein sog. »Interessenbekundungsverfahren« für Investoren aus.
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Die Stadt wählt vier Investoren aus und tritt mit diesen Investoren ins sog. »wettbewerbliche Dialogverfahren« ein.
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Die Stadt nimmt die Vorschläge der BI zur Änderung der Aufgabenbeschreibung im sog. »wettbewerblichen Dialogverfahren« fast vollständig auf und legt diese dem Stadtrat zur Abstimmung vor!
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Die Hauptpunkte der BI sind in der Aufgabenbeschreibung – wenn auch teilweise etwas verwaschen – als zwingende Vorgaben enthalten!
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Vertreter der BI sind im sog. »Projektbeirat für das wettbewerbliche Dialogverfahren« vertreten.
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Der Projektbeirat wird über die Investorengespräche ausführlich informiert, und gibt nach eingehender Diskussion der Angebote ein Votum zu den Angeboten der Investoren ab.
Mitte 2011
Kür des Investors MIB auf breiter Basis im Projektbeirat und als Konsens in der Stadtgesellschaft. Das Konzept stammt vom Londoner AB Dunnet/Craven. [Video-Mitschnitt der Projekt-Präsentation]
Bis Oktober 2012
Verträge zwischen Stadt und MIB werden unterzeichnet. Mit äußerst knapper Mehrheit befürwortet der Stadtrat, dass der Investor anstelle eines eigentlich vorgesehenen Architektenwettbewerbes den Masterplan des Londoner Architekten James Craven in einem neuartigen »Workshop-Verfahren« weiter entwickelt. MIB selbst initiiert dann aber doch einen Architektenwettbewerb. Bei der Auswahl der Teilnehmer finden die Vorschläge der BI leider keine Berücksichtigung. Der Wettbewerb mit nur fünf Teilnehmern hilft zwar dem Investor, ein deutsches Kooperationsbüro für den Londoner Architekten zu finden, bleibt im Ergebnis in Teilen allerdings unbefriedigend. Nun soll unter Leitung des Masterplaners nachgebessert werden. Das Ergebnis ist offen. Die BI appelliert weiter beharrlich für eine Erhaltung des denkmalgeschützten Saales im Parkhotel und der dazugehörigen Fassade, deren Erhalt der Investor nachweislich zugesagt hat.
Meine persönliche Bilanz
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Die Rudolf-Breitscheid-Straße und die Hallstraße bleiben öffentlicher und demokratischer Raum.
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Damit konnte ein kaum wieder zu reparierender Fehler in der Stadtentwicklung verhindert werden.
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Die vorhandene Stadtstruktur mit der geschlossenen Blockbauweise und der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum bleibt erhalten.
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Denkmalgeschützte Häuser auf der südlichen Rudolf-Breitscheid-Straße werden nicht komplett abgerissen, die wertvollen Sandsteinfassaden werden restauriert, es sind allerdings nicht denkmalgerechte Eingriffe bei Fassade und Gebäudedecken im Gespräch, um die Sichtbarkeit der dahinter liegenden Geschäftsflächen abzubilden bzw. großzügige Entrees zu den Geschäften zu ermöglichen. Nach Aussage des Investors soll der denkmalgeschützte Festsaal des Parkhotels abgerissen werden. Der Umgang mit der Festsaalfassade bleibt ungewiss. In Punkto Denkmalschutz sieht die BI Ihre Ziele bisher nur teilweise erfüllt und appelliert weiterhin für eine ernsthafte und echte Abwägung der Denkmalschutzbelange im Bebauungsplan bzw. Genehmigungsverfahren.
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Eine Übernahme der weltweit beliebigen »Shopping Mall Architektur«, die leider für einige Entwürfen des Wettbewerbes das Leitbild war und wenig regionalen Fürth-Bezug erkennen lässt, konnte verhindert werden.
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Ein Großprojekt mit »Staubsaugereffekt« für die Innenstadt und ca. 25.000 qm Verkaufsfläche, wie von Sonae Sierra geplant, konnte verhindert werden. Stattdessen soll ein offenes »Geschäftshausmodell« ohne Mall mit ca. 15.000 qm Verkaufsfläche entstehen. Damit ist es nach Auskunft aller Experten gut verträglich für eine Stadt wie Fürth und ein gewinnbringender Impuls für die Einkaufsstadt Fürth.
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Die Öffentlichkeit ist heute wesentlich besser über das Projekt in der Stadtmitte informiert. Hierzu konnte die BI einen wesentlich Beitrag leisten.
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Die Revitalisierung des City-Centers gestaltet sich auch nach vier Jahren als sehr schwierig und scheint sich immer mehr zu einem juristischen Hick-Hack zu entwickeln, nachdem die Besitzer offensichtlich auf einen Hochstapler hereingefallen sind. Die BI hatte und hat diesbezüglich keine Karten in der Hand und konnte nur auf die Wichtigkeit der Revitalisierung des City-Centers für die Innenstadt, aber auch den neuen Einkaufsschwerpunkt Rudolf-Breitscheid-Straße hinweisen.
Ob man das Erreichte nun als Erfolg sieht oder nicht, muss natürlich jeder für sich selbst beurteilen. Unbestritten ist, dass die Entwicklung in Fürth bundesweit gerade im Hinblick auf Bürgerengagement positiv registriert worden ist. Dabei wurde v.a. der bis zum heutigen Zeitpunkt immer konstruktive Ansatz der Bürgerinitiative »Bessere Mitte Fürth«, aber auch die Kooperationsbereitschaft in der Stadtspitze gelobt.
- »Innerhalb der BI [gibt es] keine belastbare Übereinkunft [...], was unter »stadtverträglicher« bzw. »qualitätvoller« Architektur zu verstehen ist.« – Da tun sich andere noch schwerer, wurde zudem so abstrakt nicht explizit diskutiert und vor allem: kann im konkreten Fall ja noch kommen.
- Mitte 2008: »der Großteil der Bürger ist begeistert«? (über Sonae Sierra) – Woher soll man das wissen, zunächst war der Großteil vermutlich eher indifferent.
- »Die Rudolf-Breitscheid-Straße und die Hallstraße bleiben [...] demokratischer Raum« – Zum demokratischen Raum gehört auch eine demokratisch bestimmte Gestaltung...
Ansonsten für das hier Aufgeführte: Chapeau!
An anderer Stelle hier habe ich gelesen: »Inzwischen tendiere ich zu der Einsicht, der Weg des Konsens war letztendlich falsch.« Das sehe ich mittlerweile auch so. Wenn der gefundene Konsens immer mehr zum faulen Kompromiss wird und die Zugeständnisse an die BI und vor Allem an die Bürgerschaft nach und nach mit den Argumenten »Nicht machbar« und »so nicht vereinbart« aufgeweicht werden, dann ist meiner Meinung nach das Ende der Friedenspflicht erreicht. In dem Zusammenhang: was bedeutet jetzt eigentlich der Rückzug von Herrn Hornstein für die BI? Gehts weiter oder zerfällt das Bündnis?
»Dabei wurde v.a. der bis zum heutigen Zeitpunkt immer konstruktive Ansatz der Bürgerinitiative »Bessere Mitte Fürth«, aber auch die Kooperationsbereitschaft in der Stadtspitze gelobt.«
Und das wird jetzt von dieser, aber auch von MIB mit Füßen getreten. Wo ist die bis dahin gelobte Transparenz? Wie soll man den Herren glauben, dass sie wirklich an diesem Entwurf arbeiten und diesen nicht doch noch in beliebige Architektur wandeln, wenn sie uns bereits die verbesserten Entwürfe vorenthalten?
Und wird der kürzlich diskutierte Bebauungsplan so durch gewunken, braucht sich der Investor an nichts mehr zu halten. Den Festsaal darf man nicht einfach dem Abriss freigeben, die Entscheidung darf erst im Anschluss der erneuten Präsentation des Entwurfes fallen. Aber bitte mit der Möglichkeit einer breiten Diskussion, wie bisher üblich.
Pressespiegel: »Sprecher der Bürgerinitiative zieht sich zurück« (FN)
Pressespiegel: »Bürgerinitiative hat sich neu formiert« (FN)