MIB verspielt in Fürth seinen guten Ruf
17. Juni 2013 | von Thomas Heyden | Kategorie: HäuserkampfOffener Brief der Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth« und des Vereins »Wir sind Fürth«:
Herrn
Ulrich Hülsbeck
Fürth, den 14. Juni 2013
MIB verspielt in Fürth seinen guten Ruf
Sehr geehrter Herr Hülsbeck,wir wenden uns in einem offenen Brief an Sie als Aufsichtsratsmitglied der MIB AG.
Wie Sie wissen, entwickelt MIB in Fürth gerade einen neuen Einkaufsschwerpunkt in der Rudolf-Breitscheid-Straße. Die Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth« und der Verein »Wir sind Fürth e. V.« begrüßen ausdrücklich die Impulse, die davon für den Einzelhandel in der Fürther Innenstadt zu erhoffen sind.
MIB ist als Investor bekannt, der in vergleichbaren Projekten groβen Wert auf den Erhalt und die Integration historischer Bausubstanz gelegt hat. Gelungene Beispiele wie die Baumwollspinnerei, der Barthels und der Wünschmanns Hof in Leipzig sowie die Anna-Louisa-Karsch-Straße und die Von-Luck-Straße in Berlin zeugen von respektvollem Umgang mit architektonischen Zeugnissen der Vergangenheit bei gleichzeitiger innovativer Nutzung für neue ökonomische Zwecke. Diese nachhaltige und seriöse Investitionspolitik von MIB durfte bislang als Markenzeichen Ihres Unternehmens gelten.
Die Erwartungen, dass das Fürther Projekt bei MIB in den richtigen Händen sei, waren entsprechend groß. Im Investorenwettbewerb fiel der Zuschlag für MIB auf der Basis eines Masterplans des Architekten James Craven, der allseits große Hoffnungen auf eine stadtbild- und denkmalgerechte Lösung weckte. Nachdem in den Ausschreibungsunterlagen des Investorenauswahlverfahrens dem Denkmalschutz ein hoher Stellenwert zukam, war die Enttäuschung umso größer, als ersichtlich wurde, dass MIB keine Bereitschaft zeigt, sich eines architektonisch wie historisch für Fürth bedeutsamen Denkmals anzunehmen, des 125 Jahre alten Festsaals im ehemaligen Park-Hotel.
Der unter Denkmalschutz stehende Festsaal des Park-Hotels bildete für viele Jahrzehnte den gesellschaftlichen Mittelpunkt des 1888 fertiggestellten Neurenaissance-Hotelbaus wie der ganzen Stadt Fürth. Darüber hinaus erinnert das Park-Hotel in Fürth durch seine Lage an der Fürther Freiheit an die Ankunft der ersten deutschen Eisenbahn im Jahre 1835. Der Ludwigsbahnhof ist längst abgerissen. Geblieben ist das ehemalige Hotel, das die Nähe zum Bahnhof suchte. Es darf als einziges bauliches Denkmal dieses technik‑, verkehrs- und kulturgeschichtlich bedeutenden Ereignisses verstanden werden.
Wir sind nicht zuletzt aufgrund der Planungen eines Mitbewerbers sowie eines früheren Investors der festen Überzeugung, dass sich der Festsaal in den Einkaufsschwerpunkt gewinnbringend integrieren ließe. Als echtes Alleinstellungsmerkmal würde der Festsaal dem Projekt besondere Attraktivität sichern.
Vor dem Hintergrund dieser Option möchten wir MIB an seine Selbstverpflichtung zu einem »behutsame(n) Umgang mit der Formensprache vergangener Epochen« im auf der Website veröffentlichen Leitbild des Unternehmens erinnern:
»Das Engagement für eine selbstbewusste und respektvolle Architektur des 21. Jahrhunderts und der behutsame Umgang mit der Formensprache vergangener Epochen zur Schaffung ästhetisch-funktionaler Wertigkeit bleibt eine gültige Traditionslinie der MIB, an der die Entwicklung des Unternehmens gemessen wird.«
MIB setzt in Fürth seinen guten Ruf aufs Spiel. Es wäre Ihrem Geschäft gewiss nicht zuträglich, wenn die Marke MIB in Zukunft mit der Zerstörung statt der Wahrung historischer Bausubstanz verknüpft würde. Wohlgemerkt, es geht hier um ein Baudenkmal, für dessen Erhalt sich das bayerische Landesdenkmalamt, der bayerische Landesdenkmalrat und das Denkmalnetz Bayern einsetzen. Eine Online-Petition an den Regierungspräsidenten von Mittelfranken fand innerhalb kürzester Zeit mehr als 1700 Unterstützer. Daraus wird ersichtlich, wie stark das öffentliche Interesse am Erhalt des Festsaals ist.
Die Zeit drängt: Die Stadt Fürth hat übereilt eine Abriss-Genehmigung erteilt und möchte Tatsachen schaffen. Deshalb appellieren wir dringend an Sie, Ihren Einfluss geltend zu machen, um den Abriss des Festsaals in letzter Minute zu verhindern. MIB hat das Know-how und die Mittel, eine optimierte Lösung zu realisieren – zum Vorteil für MIB und zum Vorteil des Stadtbildes von Fürth.
Das Schicksal des Festsaals und des Park-Hotels liegt in Ihrer Hand. Sie sind herzlich zu einem Gespräch und einem Ortstermin nach Fürth eingeladen.
Mit freundlichen und hoffnungsvollen Grüβen
Dr. Thomas Heyden
für die Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth«Felix Geismann
für den Verein »Wir sind Fürth«
Verteiler des Schreibens:
- MIB Aufsichtsrat
- MIB Vorstand
- Kopie an den Oberbürgermeister der Stadt Fürth
- Kopie an die Presse
Pressespiegel: »In letzter Minute: Appell gegen Abriss des Park-Hotels« (FN)
Pressespiegel: »Abriss des Fiedler-Gebäudes hat begonnen« (FN)
Mit Schreiben vom 24.06.2013 antworten die Herren Dr. Alexander Schlag und Uwe Laule von der Firma MIB den Kritikern und werben für den neuen Einkaufsschwerpunkt:
Auf den offenen Brief hat zwar nicht Herr Hülsbeck, aber immerhin Dr. Alexander Schlag und Uwe Laule in einem langen Brief geantwortet. Vieles, was dort steht, ist richtig. Manches aber auch nicht.
So schreiben die Herren: »Der vollständige Erhalt der Fassade des Parkhotels war während des Investorenauswahlverfahrens kein Diskussionsgegenstand« – Zwar können das die Vertreter von MIB nicht wissen, aber im Projektbeirat wurde diese Möglichkeit sehr wohl von meiner Seite angesprochen und dabei vorgeschlagen, eine Sondierung an der Fassade vorzunehmen, was einstimmig im Projektbeirat befürwortet, aber vom Bauamt nicht ausgeführt wurde.
Unrichtig ist auch die Aussage: »Auch dort [im Architektenworkshop] wurde der Erhalt des Hotels von den Personen und Stellen, die sich in der bzw. für die Stadt [sic!] mit Belangen des Denkmalschutzes befassen, nie zur Sprache gebracht«. – Selbstverständlich habe ich explizit Herrn Dr. Schlag im Architektenworkshop zur Erhaltung des Festsaals aufgefordert, der Teil des Parkhotels ist, und in diesem Fall machte ich nicht den (im Nachhinein: naiven) Fehler vom 7. Juli 2011, das nur im Zwiegespräch zu tun (seinerzeit mit James Craven, der eine wohlwollende Überprüfung zusagte).
»Die Bewahrung des denkmalgeschützten Häuserensembles an der Rudolf-Breitscheid-Straße dominiert die Logik unseres Entwurfs« – Das ist sicherlich einer der großen Vorzüge des MIB Entwurfs und für mich der wesentlichste Pluspunkt. Allerdings ist auch das bei genauerem Hinsehen nicht ganz richtig. MIB hält sich in dem Brief auch explizit zugute, in Wittenberg Erfahrungen im Denkmalschutz gesammelt zu haben. Dann müsst man bei MIB aber auch wissen, dass »Bewahrung« im Sinne des Denkmalschutzgesetzes auch das Innere der Häuser mit einschließt. Davon und auch von den Rückgebäuden wird aber in den genannten Häusern nicht viel übrig bleiben, wenn auch nun dankenswerterweise immerhin ein einzelner wichtiger Bestandteil (ein sehr schönes Treppenhaus) erhalten bleibt.
Nicht ganz richtig ist auch, dass »unser [MIBs] Bewerbungskonzept im Investorenauswahlverfahren im Juli 2011 von vorne herein …, [einen] Erhalt lediglich der Festsaalfassade vorsah«. Im schriftlichen Bewerbungskonzept vom 1. Juli war der Saal enthalten, im mündlichen Vortrag eine Woche später wurde der Abriss angekündigt. Beim MIB Architektenbüro DunnetCraven ist der Festsaal auch heute noch im Konzept enthalten: Siehe rechts auf Bild Nr. 3.
Soweit für´s Erste.
Also kurz zusammengefasst heißt Beachtung des Denkmalschutzes für MIB: 1. wir lassen eine Straße eine Straße sein, 2. wir bauen einen Kubus der sich ungefähr an den Traufhöhen der umliegenden Bebauung orientiert, und 3. lassen wir von den in ihrer Gesamtheit unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden nur Fassadenreste für die Optik stehen. Und dafür hats einen Stararchtitekten gebraucht? Dafür??
Tja. »Beachtung des Denkmalschutzes« ist eine dehnbare und vielfältig interpretierbare Vorgabe...
Glückwunsch an MIB und Thomas »Bomber« Jung, die hier gerade Fakten schaffen – am Bürgerwillen und jeder historischen Verantwortung der »Denkmalstadt« vorbei und uns das nächstes innenstädtische Juwel, à la Gänsberg, Citycenter und Marktkauf bescheren – warum baut ihr eure Neue Mitte denn eigentlich nicht dort? EURE Neue Mitte, denn unsere ist das nicht! Fürther mit Pietätsgefühl und Geschichtsbewusstsein werden in dieser Totgeburt nicht einkaufen.
Ach ja, hat eigentlich jemand bemerkt, dass all die tollen »Denkmalstadt Fürth«-Schilder inzwischen fast alle durch »Wissenschaftsstadt Fürth« ersetzt wurden?
Der Fairneß halber sei klargestellt, daß »Wissenschaftsstadt Fürth« auf den gelben Ortsschildern steht, der Schriftzug »Denkmalstadt Fürth« hingegen jene braunen Bildtafeln ziert, die am Rand der Autobahnen stehen. Lustig ist allerdings die Auswahl der darauf stilisiert abgebildeten Gebäude: Da ist nämlich auch die gläserne Pyramide am Europa-Kanal mit dabei...
Ich halte dieses Vorgehen iherseits für sehr gefährlich. Mich würde interessiere, wie sich Ihr Verein positionieren möchte für den Fall, dass der Investor abspringt... Bei einer Millionenklage gegen die Stadt Fürth möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken. Kommen Sie zur Vernunft bevor es zu spät ist.
Fotos vom mittlerweile teilweise wieder freigelegten Saal gibt es in einem eigenen Artikel zu sehen.
@Dr. Frede:
Kennen Sie denn die Verträge? Ich jedenfalls nicht.
Schießen hier nur wilde Spekulationen ins Kraut oder können Sie Ihre Befürchtung irgendwie belegen? Ist diese mittlerweile schon mehrfach angedeutete »Millionenklage« eine reelle Gefahr oder nur eine leere Drohung?
Allein schon die Tatsache, dass niemand genaueres über die Verträge weiß, spricht Bände: Soviel zur dauernd beschworenen »Demokratie« und »Transparenz« bei diesem Verfahren... In Wirklichkeit hat viel zu viel hinter verschlossenen Türen und unter größter Geheimhaltungspflicht stattgefunden.
Ich halte dann schon eher das Vorgehen der Stadt für sehr gefährlich, um nicht zu sagen fahrlässig: Wie kann sie sich denn, wenn es so sein sollte, in einen Vertrag hineinmanövrieren, nach dem eine »Millionenklage« zu befürchten wäre, wenn ein denkmalgeschütztes Gebäude (!) nicht abgerissen werden dürfte? Denkmalschutz hat in Bayern Verfassungsrang!
Ich könnte ja auch noch ein bißchen weiterspekulieren: Wurde gar der Abriss schon im Vorfeld – also vor jeglicher Abwägung oder einem Stadtratsentschluss – heimlich genehmigt? Sind die Verträge damit überhaupt rechtens?
Pressespiegel: »Neue Mitte Fürth: Vier Baudenkmäler purzeln von der Liste« (FN)
Pressespiegel: »Neuer Zwist um Fürths Neue Mitte: MIB keilt zurück« (FN)
Pressespiegel: »Neue Mitte: Hickhack um Denkmalschutz geht weiter« (FN)