Was soll ein »Le­go-Pue­blo-Bau« in der Denk­mal­stadt Fürth?

12. Oktober 2013 | von | Kategorie: Häuserkampf

Am 8. und 9. Ok­to­ber tra­fen sich das Preis­ge­richt und die Sach­ver­stän­di­gen für den Neu­bau des Lud­wig-Er­hard-Zen­trums am Rat­haus, um die ein­ge­reich­ten Ent­wür­fe zu be­gut­ach­ten. Das Gre­mi­um setzt sich aus Preis­rich­tern mit Stimm­recht und Be­ra­tern oh­ne Stimm­recht zu­sam­men, zu letz­te­ren zähl­te ich selbst.

Der erstplatzierte Entwurf von Reinhard Bauer Architekt, München (Foto: Dr. Alexander Mayer)

Der erst­plat­zier­te Ent­wurf von Rein­hard Bau­er Ar­chi­tekt, Mün­chen (Fo­to: Dr. Alex­an­der May­er)

Für den Rea­li­sie­rungs­wett­be­werb »Lud­wig-Er­hard-Zen­trum« wur­den 23 Ar­bei­ten ein­ge­reicht. Schon die Ge­samt­heit der Ar­bei­ten ver­ur­sach­te Ent­täu­schung (ge­lin­de aus­ge­drückt). Fünf Be­ur­tei­lungs­kri­te­ri­en la­gen der Be­wer­tung zu­grun­de: Ne­ben »Funk­ti­ons­er­fül­lung«, »Kon­struk­ti­on« und »Wirt­schaft­lich­keit« aus­drück­lich auch »Ge­stal­tung« so­wie »Städ­te­bau­li­che Ein­fü­gung im denk­mal­ge­schütz­ten Um­feld«.

Die Stimm­be­rech­tig­ten im Preis­ge­richt hiel­ten die­ses Kri­te­ri­um of­fen­sicht­lich für un­er­heb­lich, ob­wohl nicht nur die Fach­leu­te, son­dern vor al­lem die Bür­ger der Stadt mit die­sem Bau le­ben müs­sen. Im neu­en Po­si­ti­ons­pa­pier (2013) der vom Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Ver­kehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung ein­ge­setz­ten Ex­per­ten­grup­pe »Städ­te­bau­li­cher Denk­mal­schutz« heißt es: »Zeit­ge­mä­ßes Bau­en im hi­sto­ri­schen Be­stand er­for­dert ei­ne fun­dier­te Aus­ein­an­der­set­zung mit dem stadt­räum­li­chen Kon­text der Bau­auf­ga­be und mit re­gio­nal­ty­pi­schen Bau­tra­di­tio­nen.«.

Container bildeten nach dem letzten Erdbeben das Geschäftszentrum von Christchurch, Neuseeland. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Siegerentwurf ist zu erkennen. (Foto: Dr. Alexander Mayer)

Con­tai­ner bil­de­ten nach dem letz­ten Erd­be­ben das Ge­schäfts­zen­trum von Christ­church, Neu­see­land. Ei­ne ge­wis­se Ähn­lich­keit mit dem Sie­ger­ent­wurf ist zu er­ken­nen.
(Fo­to: Dr. Alex­an­der May­er)

Die plat­zier­ten Ent­wür­fe ver­su­chen nur an­satz­wei­se, sich zu­min­dest vom Grund­riss und vom Fas­sa­den­ma­te­ri­al in das städ­te­bau­li­che Um­feld zu in­te­grie­ren – al­le ver­sa­gen da­bei, ei­ne dem Um­feld an­ge­pass­te Fas­sa­den­ge­stal­tung zu prä­sen­tie­ren. Die Ent­wür­fe in der Aus­wahl neh­men kaum Rück­sicht auf das bau­li­che Um­feld, auch je­ne nicht, die beim Preis­ge­richt even­tu­ell Aus­sich­ten auf ei­ne Nach­no­mi­nie­rung (»Rück­ho­lung«) für die Aus­wahl hat­ten. Die Front­fas­sa­den der plat­zier­ten Ent­wür­fe stel­len über­wie­gend auf die Fern­wir­kung ab, die vor Ort aber kaum mög­lich ist. Die An­mu­tung wird des­we­gen noch deut­lich un­an­ge­neh­mer sein, als die zeich­ne­ri­schen An­sich­ten sug­ge­rie­ren.

Man hät­te die Be­ra­tun­gen wohl bes­ser vor Ort füh­ren sol­len und nicht in der Stadt­hal­le. Be­züg­lich des Kri­te­ri­ums der »städ­te­bau­li­chen Ein­fü­gung im denk­mal­ge­schütz­ten Um­feld« mu­te­ten die ganz­tä­gi­gen Be­ra­tun­gen am 8. Ok­to­ber schon fast au­ti­stisch an. Dem­entspre­chend sah ich kei­nen Sinn dar­in, die Preis­rich­ter bei der Rei­hung der schon fest­ste­hen­den Vie­rer-Aus­wahl am 9. Ok­to­ber wei­ter­hin be­ra­tend zu be­glei­ten, da dies als im­pli­zi­te Zu­stim­mung in­ter­pre­tiert wer­den könn­te. Das Gre­mi­um woll­te of­fen­sicht­lich der Pro­vinz ver­deut­li­chen, wie man groß­städ­tisch und welt­läu­fig baut, oh­ne sich auf die Ge­ge­ben­hei­ten vor Ort ein­las­sen zu müs­sen. Es wird sich zei­gen, ob die­se Rech­nung auf­geht.

 
Prä­mie­rung:

Platz 1: Rein­hard Bau­er Ar­chi­tekt, Mün­chen

Bau­be­schrei­bung (in Aus­zü­gen): »3‑geschossiger kom­pak­ter Bau­kör­per be­stehend aus vier ne­ben- und über­ein­an­der ge­sta­pel­ten Vo­lu­men ‘ge­sta­pel­te Häu­ser’. Stahl­be­ton­kon­struk­ti­on. Fas­sa­den­ma­te­ri­al Sicht­be­ton mit Sand­stein­zu­schlag«.

Po­si­tiv wur­de ver­merkt: Glie­de­rung der Par­zel­le (kein Mo­no­lith); gün­sti­ge An­ord­nung der Er­schlie­ßungs­flä­chen, v.a. für Prä­sen­ta­tio­nen; »Gro­ße Ge­ste« als be­son­de­res Ge­bäu­de. Dem Um­feld hät­te al­ler­dings ei­ne »klei­ne Ge­ste« bes­ser ge­dient. Ab­bil­dung sie­he oben.

 
Platz 2: Pussert Kosch Ar­chi­tek­ten, Dres­den

Bau­be­schrei­bung (in Aus­zü­gen): »4‑geschossiger L‑förmiger Neu­bau. Stahl­ske­lett­bau mit aus­stei­fen­den Wän­den und Ker­nen, Vor­hang­fas­sa­de und Flach­decken. Fas­sa­den­ma­te­ri­al: Sand­stein, ‘Nürn­ber­ger Quar­zit’, Holz­alu­mi­ni­um­pro­fil­fen­ster.«

 
Platz 3: Rust­ler Schmid Ar­chi­tek­ten, Augs­burg

Bau­be­schrei­bung (in Aus­zü­gen): »3‑geschossiger L‑förmiger Neu­bau, Ori­en­tie­rung im hi­sto­ri­schen Stra­ßen­ver-lauf, Dach­land­schaft ord­net sich in das hi­sto­ri­sche Stadt­bild ein. Stahl­be­ton mit Vor­satz­scha­le. Fas­sa­den­ma­te­ri­al: ge­schlif­fe­ner, te­raz­zo­ar­ti­ger Be­ton (Zu­schlags­stoff: re­gio­na­ler Sand­stein) für Fas­sa­de und Dach, Fen­ster dunk­les Holz.«

 
An­er­ken­nung: Karl + Probst, Mün­chen

Bau­be­schrei­bung (in Aus­zü­gen): »4‑geschossiger Neu­bau, Stahl­be­ton-Mas­siv­kon­struk­ti­on mit Hohl­kör­per­decken. Fas­sa­den­ma­te­ri­al: hel­ler ge­schlif­fe­ner Be­ton«

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27 Kommentare zu »Was soll ein »Le­go-Pue­blo-Bau« in der Denk­mal­stadt Fürth?«:

  1. Über die Fi­nan­zie­rungs­fra­ge ha­ben sich üb­ri­gens die Grü­nen Ge­dan­ken ge­macht:

    http://www.gruene-fuerth.de/2013/06/25/die-gruenen-lehnen-ludwig-erhard-haus-kategorisch-ab/

  2. Lothar Berthold sagt:

    schluss mit die­sen schuh­schach­teln mit seh­schlit­zen und schieß­schar­ten!

    ar­chi­tek­ten, baut end­lich wie­der rich­ti­ge HÄUSER mit dä­chern, fas­sa­den und fen­stern!

    wenn die pro­por­tio­nen stim­men, kön­nen durch­aus auch neue ma­te­ria­li­en ver­wen­det wer­den, da brauchts dann kei­ne pseu­do-sand­stein­ver­klei­dung.

  3. Pres­se­spie­gel: »Fürth statt Er­hard« (Face­book)

  4. anja molendijk sagt:

    die ein­zi­gen bei­den okay­en ent­wür­fe sind: ho­fer lorch/saarbücken und bü­ro sta­ab...

  5. Manu sagt:

    Al­so, ich kann mir nicht hel­fen, aber der Ent­wurf er­in­nert mich ab­o­lut an ei­ne 08/15- Wohn­zim­mer­schrank­wand, wie sie die Mö­bel­häu­ser zur Zeit für ein paar Hun­dert Eu­ro ver­kau­fen...

    Sie­he z.B. da: Schrank­wand

  6. Ausblick sagt:

    Hof­fent­lich wird der Ent­wurf von Rein­hard Bau­er 1:1 um­ge­setzt. Wir brau­chen kei­ne Pseu­do- hi­sto­ri­schen Bau­ten und lang­wei­li­gen Kom­pro­mis­se (sie­he Ci­ty Cen­ter und Neue Mit­te), son­dern mu­ti­ge mo­der­ne Ar­chi­tek­tur, die die de­tail­ver­lieb­te Bau­wei­se der Grün­der­zeit kon­tra­stiert. Das macht es für den Pas­san­ten und Be­trach­ter span­nend und zeigt auch, dass Fürth als Denk­mal­stadt den Blick in die Zu­kunft wagt.

  7. Manu sagt:

    @Ausblick:

    Das, was Sie als »mu­tig« be­zeich­nen, nen­ne ich völ­lig rück­sichts­los ge­gen­über dem Um­feld.

    Bei dem, was Sie als »mo­dern« be­zeich­nen, fehlt mir das wirk­lich Neue. Es ist halt recht­eckig, qua­dra­tisch, ge­sta­pelt, prak­tisch – soll das neu sein?

    Das, was Sie als Kon­trast der »de­tail­ver­lieb­ten Bau­wei­se der Grün­der­zeit« lo­ben, nen­ne ich grob­schläch­tig und ein­tö­nig. Und die schmuck­lo­se For­men­spra­che gibt es auch schon seit Bau­haus. Al­so auch nichts Neu­es.

    Nein, es muss heut­zu­ta­ge nicht pseu­do-hi­sto­risch ge­baut wer­den. Aber es muss auch nicht so pseu­do­mo­dern häss­lich ge­baut wer­den, dass es weh­tut, hin­zu­se­hen. Es muss auch kein Kom­pro­miss wer­den, schon gar kein lang­wei­li­ger, aber auch kein bru­talst­mög­li­cher Ego­is­mus. War­um schafft es kei­ner der Ar­chi­tek­ten, die Ele­ganz der um­ge­be­nen Grün­der­zeit­bau­ten auf­zu­neh­men und ei­nen ele­gan­ten, mo­der­nen Ge­gen­ent­wurf zu ent­wickeln, der die Nach­bar­schaft nicht zer­quetscht? »Span­nung« ent­steht näm­lich nur dann, wenn man bei­de Sei­ten ih­re Kräf­te aus­üben lässt. Ei­ne Axt auf dem Hack­klotz er­zeugt kei­ne Span­nung.

    Wenn sie glau­ben, dass Fürth mit die­sem Ent­wurf in die Zu­kunft blickt und mo­der­ner wird, täu­schen Sie sich und ha­ben zu­dem ver­säumt zu be­mer­ken, dass auch an­derns­orts schon seit ein paar Jah­ren eben­falls mit die­ser Grob­klotz-Ar­chi­tek­tur ge­ha­dert wird: Schluss mit klot­zig!

  8. Duke sagt:

    Mon­strös! Man kann sich nur wün­schen, dass es für der­ar­ti­ge Bau­sün­den ei­nen ent­spre­chen­den Ar­chi­tek­ten-Tar­ta­ros gibt, in dem die Ver­damm­ten bis in al­le Ewig­keit Be­ton­qua­der auf­ein­an­der­sta­peln müs­sen, die im­mer wie­der ein­stür­zen.

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