Krumme Balken in der Neuen Mitte
22. November 2014 | von Alexander Mayer | Kategorie: HäuserkampfEitel Sonnenschein zum Richtfest der Neuen Mitte II. So meinte OB Jung in seiner StadtZeitungs-Kolumne: »Dank gilt dem Investor MIB, der mit viel Einfühlungsvermögen die Neue Mitte Fürth mit dem Geschäftshauskonzept entwickelt und realisiert« hat. Die Firma MIB habe »harte Diskussionen und einige ungerechtfertigte Anfeindungen« ertragen müssen.
Anspruch und Wirklichkeit
Mitte Juli wies der Autor darauf hin, dass die Anwesen Rudolf-Breitscheid-Straße 4, 6, 8 und 10 aus der Denkmalliste gestrichen wurden, da sie vor allem im Rahmen der Baumaßnahmen von MIB massiv verändert wurden und nicht mehr den Vorgaben des Denkmalschutzgesetzes entsprechen. Weitreichende Eingriffe gegen die Bedenken oder ohne Beteiligung des Landesamtes für Denkmalpflege und des Heimatpflegers führten zum Verlust der »bauzeitlichen Binnengliederung und der historischen Ausstattung«, so die Begründung des Landesamtes. Damit ist die Neue Mitte denkmalfrei. In Bezug auf die Neue Mitte hatte die Stadt Fürth noch kurz zuvor ihren Anspruch verkündet, »als Denkmalstadt Fürth in der Gruppe der deutschlandweiten Vorreiter für die entsprechenden stadtplanerischen Fragen mit dabei zu sein.«
Das »Ur-Missverständnis«
Der Hinweis des Autors auf die Streichung aller Gebäude in der Neuen Mitte von der Denkmalliste war die Grundlage für einen kurz darauf erschienenen Pressebericht. Wie bei den Fürther Nachrichten in der Regel üblich, bekam die Stadt Fürth das letzte und abschließende Wort: Stadtbaurat Krauße äußerte Verständnis für die Entscheidung des Landesamtes. Auf die Frage, warum denn die Stadt Fürth überhaupt vorgegeben hatte, bei ihren Planungen den Denkmalschutz »zu beachten«, ereilen den Leser wieder einige denkwürdige Worte des Stadtbaurates: das – so Krauße – sei ein »Ur-Missverständnis«. Die Stadt habe – so Krauße – ausdrücklich nicht festgeschrieben, dass sämtliche Denkmäler zu erhalten seien. Stattdessen habe die gewählte Formulierung signalisiert, dass Eingriffe in die Substanz vorstellbar seien (so Krauße). – Diese Darstellung des Stadtbaurates verwundert, beschloss doch der Stadtrat am 16. März 2011 ausdrücklich, dass die Einhaltung des Denkmalschutzes »eine zwingende Vorgabe« ist. Wenn nun alle Baudenkmäler nach der Kur durch MIB von der Denkmalliste gestrichen wurden, kann doch wohl niemand ernsthaft behaupten, dass der Denkmalschutz eingehalten wurde, schon gar nicht »zwingend« ... außer natürlich in der Denkmalstadt Fürth.
Angeblich offene Briefe
Die Augen musste man sich allerdings erst recht reiben, als fast einen Monat später, im August 2014, Vertreter des Investors MIB in drei angeblich »offenen Briefen« zu der Streichung ihrer Baudenkmäler von der Denkmalliste Stellung nahmen. Der Adressat der Briefe hätte nach allgemeinen Dafürhalten in erster Linie das Landesamtes für Denkmalpflege sein müssen. Mir wurde jedoch vom Landesamt versichert, dass nie entsprechende Briefe in München eingingen (ähnlich wie im Falle Woolworth, demnächst auch in diesem Hause). Anscheinend gingen diese Briefe nur an die Presse.
Kurzes Gedächtnis zum Architektenworkshop
In den Schreiben beschwert sich MIB – immer nach Darstellung der FN – in erster Linie über die Entscheidung des Landesamts für Denkmalpflege, dass diese Gebäude trotz der großen Bemühungen des Investors von der Denkmalliste genommen wurde. Zunächst versicherte der MIB-Berater Wolfgang Janowiak, dass die beabsichtigten Eingriffe im Rahmen »des von ihm selbst betreuten Architektenwettbewerbs« sowie im anschließenden Baugenehmigungsverfahren besprochen worden seien, und weder Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege noch Fürths Stadtheimatpfleger hätten erklärt, dass die Denkmaleigenschaft in Gefahr geraten könne (so Janowiak).
In Bezug auf diesen Architektenworkshop wird auf das kurze Gedächtnis mancher spekuliert, denn es stand im entsprechenden Auslobungstext gleich auf Seite 2 unter dem Punkt »«Gegenstand des Verfahrens« ganz ausdrücklich: »Die innere Struktur ist nicht Teil der Aufgabenstellung«. Auch für Laien ist damit wohl leicht verständlich, dass damit die Eingriffe, die dann zum Verlust der Denkmaleigenschaft führten, nicht Gegenstand des Architektenworkshops waren. Was vielleicht Janowiaks Gedächtnis an den von ihm mehr oder minder betreuten Workshop nun trübt: die Verteter des Denkmalschutzes wiesen schon während dieses Verfahrens in weiser Voraussicht darauf hin, dass »der Umgang mit der historischen Bausubstanz gesondert zu klären ist«.
Dichtung und Wahrheit
Aber das ist nicht die einzige Ungereimtheit, um es einmal zurückhaltend zu formulieren. Das Büro Weis&Volkmann schreibt in einem der offenen Briefe (immer laut FN) von »mehreren gemeinsamen Terminen« mit dem Landesamt im Jahre 2013, bei denen man »Kompromisse« gefunden habe. Es gab solche Termine und das Landesamt ist in Bezug auf den Abbruch von Rückgebäuden und Seitenflügeln dem Investor entgegengekommen. Allerdings hat das Landesamt für Denkmalpflege im Januar und April 2013 ausdrücklich auf eine schriftliche Stellungnahme verwiesen, die dann mit Schreiben vom 29. April 2013 erfolgte.
Zu Haus Rudolf-Breitscheid-Straße 4 wird dort zu den Wünschen von MIB (überwiegend Entkernung) folgendes ausgeführt: »Folge dieser Maßnahme wäre ein architektonisch entbeintes und seiner historischen Aussage und künstlerischen Bedeutung völlig beraubtes Bauwerk. Dagegen sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes. Die Maßnahme ist nach den Vorgaben des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes nicht erlaubnisfähig.«
Zur Rudolf-Breitscheid-Straße 6 heißt es: »Die Bauvorstellungen des Bauherren MIB gehen von einer kompletten Entkernung des EG und des 1. OG aus … Da die denkmalgeschützte Substanz erheblich reduziert wird, wäre die Erhaltung der Denkmaleigenschaft davon abhängig, wie mit den übrigen Hausteilen (2. OG, Dach) verfahren werden soll. Eine Überprüfung auf den Fortbestand der Denkmaleigenschaft ist im Zuge der Realisierung der Maßnahme notwendig.«
Zur Rudolf-Breitscheid-Straße 8 wird nichts gesagt, da es damals noch nicht MIB gehörte. Zur Rudolf-Breitscheid-Straße 10 heißt es: »Der Bauherr beabsichtigt die Komplettentkernung der drei Stockwerke und den Wiederaufbau in veränderter Form … Da die denkmalgeschützte Substanz erheblich reduziert wird, wäre nach dem Umbau eine Streichung aus der Denkmalliste veranlasst.«
Es ist doch sehr verwunderlich, wenn der Investor MIB nun (Zitat) »fassunglos« ob der Streichung aus der Denkmalliste sein will. Das entsprechende Schreiben war zwar sowohl MIB wie auch der Stadt Fürth angekündigt, ging aber dann nur an die Stadt Fürth als Genehmigungsbehörde. Könnte es sein, dass der Inhalt dieses wichtigen Schreibens vom Baureferat nicht dem Investor MIB mitgeteilt wurde? – Obwohl auch in den Amtsterminen kein Zweifel an der Haltung des Landesamts für Denkmalpflege aufkommen konnte, so würde das zumindest eine gewisse Erklärung für die »Fassunglosigkeit« von MIB sein. Der Investor hat offensichtlich das Pech, mit schlechten Beratern und unprofessionellen Partnern arbeiten zu müssen.
Der Unteren Denkmalschutzbehörde bei der Stadt Fürth wurden dann die von MIB geplanten »Maßnahmen« im Rahmen einer Begehung am 11. September 2013 noch einmal erläutert. In der Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 13. September 2013 heißt es dann: »Es wird darauf hingewiesen, dass die geplanten Umbaumaßnahmen weit außerhalb des in Fürth praktizierten gängigen Genehmigungsspektrums liegen. Seitens der Unteren Denkmalschutzbehörde kann aus fachlicher Sicht der vorgelegten Planung in dieser Form nicht zugestimmt werden.« – Warum die Untere Denkmalschutzbehörde letztendlich dann doch genau diese Planung genehmigte? Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich der Phantasie des Lesers.
Angeheiztes »Hickhack«
Als wenn das nicht schon alles peinlich genug wäre (aber da sind die maßgeblichen Leute reichlich unempfindlich), so setzte man im Oktober 2014 noch eins drauf. Nun wurde davon berichtet, dass das Landesamt »mit rekordverdächtiger Verspätung und erst nach mehrmaligem Nachhaken« auf die »Attacken« von MIB antworte. Unerwähnt blieb wiederum, dass das Landesamt überhaupt nicht angeschrieben wurde. Das Landesamt blieb auch nach mehrfacher Rückfrage des Autors dabei: »Stellungnahmen können wir nur zu Schreiben abgeben, die direkt an uns gerichtet sind... der offene Brief ist nicht bei uns eingegangen.«
Die Verteter von MIB behaupten laut diesem Pressebericht im Oktober, sie könnten angeblich »wirklich lückenlos darlegen«, dass die Entkernung in den Gebäuden immer im jetzt erfolgten Ausmaß vorgesehen waren und dass »dies klar ersichtlich« gewesen sei. Die Denkmalpflege sei während des gesamten Prozesses darüber informiert worden, habe aber nie ihr Veto eingelegt. Wie zum Hohn und wider den Tatsachen (siehe oben) schließen die Vertreter von MIB, es müsse »eine grundsätzliche Diskussion über die Rolle des Denkmalschutzes« bei »derartigen Projekten« geben und darüber, »wie professionell das Behördenmanagement im konkreten Fall war«. Dem aufmerksamen Leser fällt jedoch auf: offen blieb, welche Behörde MIB meint. Insofern kann der Autor letzterem nicht ohne weiteres widersprechen. Aber ansonsten rennt MIB in Fürths Rathaus offene Türen ein: der Denkmalschutz hat »bei derartigen Projekten« möglichst keine Rolle zu spielen. Die entsprechenden Weichen sind gestellt.
Vielen Dank für diese wichtige Zusammenfassung und Einordnung der Aussagen von kompetenter Stelle! Es ist wichtig, dass hier die Deutungshoheit nicht allein bei Stadt und MIB liegt, denn beide tun alles Nötige, um in ihrem Sinne die Fakten bis zur Unkenntlichkeit »flexibel« zu verformen.Man nennt das auch Manipulation. MIB kann ich dabei nicht mal einen so großen Vorwurf machen, denn sie spielen halt ihr Spiel, haben einen anderen Zugang zur Stadt. Sie tun, was ihnen geboten scheint und was man sie machen läßt.
OB und der SPD-Stadtrat hingegen haben eine ganz andere Verantwortung der Stadt Fürth und ihren Bürgern gegenüber. Diese wird aber nur im Sinne von »besser, neuer, mehrmehrmehr« wahrgenommen, ein verantwortungvoller, ehrlicher Umgang mit der gesamten Stadtentwicklung findet nicht statt und war auch nie Ziel.
Mir graut wirklich schon vor der nächsten Baustelle – dem unsäglichen Ludwig-Erhard-Zentrum, das Fürth so dringend braucht wie einen Pickel. Ein Projekt, das sich meiner Meinung nach von selbst verbietet, solange notwendige Basisleistungen der Stadt nicht ausreichend leistbar sind, von denen eine Vielzahl der Bürger profitieren würde: ein ausreichend ausgestatteter Winterdienst und Brandschutz für die Schulen etwa. Die Fluchtbalkone des HLG sind teilweise wegen maroder Bausubstanz gesperrt, trotzdem ist hier eine Sanierung nur tröpfchenweise gestreckt über mehrere Jahre möglich. Man stelle sich das mal vor...
Trotzdem ist der Ludwig-Erhard-Bau wichtiger, der die Besucher angeblich busladungsweise nach Fürth ziehen wird. Hier möchte sich jemand ein Denkmal setzen und hat völlig aus dem Blick verloren, für wen er eigentlich seinen Job machen sollte. Leider wird sich hieran nichts ändern, solange Herr Jung und die SPD mit diesen Zahlen in Fürth gewählt wird, denn diese signalisieren: Gut gemacht, weiter so! Und leider gingen sehr viele Fürther gar nicht erst zur Wahl.
Ich bin gespannt, welches Projekt aus dem Boden gestampft wird, wenn dereinst Henry Kissinger das Zeitliche segnet.
Blitzmerker: »wie unsere Recherche ergab...« :-) :-). Ich hatte den FN schon am 22. August mitgeteilt, dass es diesen Brief des Landesamtes vom 29. April 2013 gibt.
Denkmalnetz Bayern: »Denkmalstadt Fürth? Stadt nimmt herbe Verluste billigend in Kauf« (Artikel mit Ergänzungen)