Beamtensiedlung wird zehntes Fürther Denkmalensemble
18. Dezember 2015 | von Alexander Mayer | Kategorie: HäuserkampfWeihnachtsgeschenk für Fürth: Der Regionalausschuss des bayerischen Landesdenkmalrates hat in seiner Sitzung vom 30. Oktober 2015 meinem Antrag vom 30. April 2014 stattgegeben und die Aufnahme der sogenannten Beamtensiedlung als Denkmalensemble in die Denkmalliste beschlossen. Sobald noch einige Formalien abgearbeitet sind, erhält Fürth sein zehntes Denkmalensemble. Die Hoffnung, dass die Eintragung in die Denkmalliste noch vor Weihnachten geschieht, konnte zwar nicht erfüllt werden, aber nachdem der Autor dieser Zeilen den Fürther Nachrichten einen entsprechenden Tipp gab, wurde die Sache heute in deren Printausgabe publik.
Vorausgegangen ist eine kontinuierliche Zuarbeit an das Landesamt für Denkmalpflege, die unter anderem dadurch erleichtert wurde, dass der Fürther Chronist und Heimatforscher Gottlieb Wunschel Mitglied der Baugenossenschaft war und historisch wertvolle Aufzeichnungen aus den ersten Jahrzehnten der Siedlung hinterlassen hat. Da die Beamtensiedlung zwar in ihrer Gesamtheit einen authentischen Eindruck macht, im Detail jedoch leider nicht mehr so gut erhalten ist, war die Erhebung zum Denkmalensemble keinesfalls selbstverständlich. Dementsprechend war auch die Behauptung unsinnig, dies sei seit langem »in trockenen Tüchern«. Zahlreiche Telefonate mit dem Landesamt für Denkmalpflege und mit Mitgliedern des Landesdenkmalrates waren notwendig, dass nun die letztendlich positive Entscheidung zugunsten der Beamtensiedlung fiel.
Die Anfänge
Die Ursprünge der Beamtensiedlung liegen in der schweren Zeit nach der sogenannten »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts«, dem 1. Weltkrieg. Der im Wesentlichen von Deutschland zu verantwortende Krieg hatte auf den Schlachtfeldern einen ungeheuren Blutzoll gefordert, die öffentliche Hand hatte sich fast unrettbar verschuldet, die Wirtschaft lag am Boden, politischer Radikalismus grassierte, der Vertrag von Versailles legte Deutschland in der Weltgeschichte nie zuvor dagewesene Reparationen auf. Die vollständige Neuordnung der politischen Landkarte führte zu weiteren Verwerfungen. – Gottlieb Wunschel: »Die schwerste Prüfung unserer Jahre lag hinter uns. Immer noch strömten Teilnehmer am großen Völkerringen 1914–1918 in die Heimat zurück. Die im Verlaufe des Krieges entvölkerten Wohnungen füllten sich allmählich wieder. Bei der jungen Generation zeigten sich Selbständigkeitsbestrebungen. Hindernisse stellten sich diesen Absichten entgegen. Die Wohnungsnot warf ihre ersten betrüblichen Schatten.«
Nicht verwunderlich, dass man auf Abhilfe sann und über die Gründung von Baugenossenschaften nachdachte. Treibende Kräfte der Beamtensiedlung waren Friedrich Strasser (Direktor des Amtsgerichtes Fürth), Studienprofessor Hermann Memmel, Städtischer Ingenieur Paul Müller, Bauamtmann Mengele, Reichsbahnobersekretär Ernst Köppl und Hauptlehrer Hedinger.
Im Jahre 1920 bemühte sich Friedrich Strasser mehrfach bei der Ortsgruppe Fürth des Bayerischen Beamtenbundes, eine Genossenschaft zum Bau von Beamtenwohnungen zu gründen, was dort abgelehnt wurde. Da dies nicht gelungen war, nahm Strasser an der Gründungsversammlung des Nürnberger Beamtenbauvereins teil, denn eine Entschließung des Sozialministeriums in München bewirkte, dass nur noch bis zum 1. März 1921 gegründete Baugenossenschaften Darlehen erhalten sollten. Am 5. März 1921 wurde die Verschmelzung des Nürnberger Beamtenbauvereins mit der schon am 21. März 1919 gegründeten Nürnberger Gemeinnützigen Baugenossenschaft Dutzendteich in den Vorstandsgremien vorbereitet. Strasser erreichte, dass die Aufsichtsrats- und Vorstandssitzung vom 15. März 1921 empfahl, auch die Fürther Mitglieder des Beamtenbundes einzubeziehen, die gemeinsame außerordentliche Hauptversammlung am 19. März 1921 folgte der Empfehlung. Der neue Verein hieß nun Beamtenwohnverein Nürnberg-Fürth, die Verankerung der Fürther Belange wurde satzungsmäßig unter anderem durch die Zubilligung von drei Aufsichtsratsstellen vollzogen.
Trennung und Eigenständigkeit
Gleichzeitig wurde ein Arbeitsausschuss zur Förderung des Wohnbaus in Fürth gegründet. Vorstand und Aufsichtsrat kamen schon am 19. Oktober 1923 überein, dass sich die Fürther Abteilung abtrennen soll, da der Verbund mit Nürnberg zu »untragbaren verwaltungs- und finanztechnischen Schwierigkeiten führt«. Im Jahre 1921 hatten auch die »damaligen Vereinigungsbestrebungen beider Städte ihren Einfluss« dahingehend ausgeübt, den Beamtenwohnbauverein auf eine breite Grundlage durch eine Einbeziehung beider Städte zu stellen. Aber von Anfang an mussten getrennte Haushaltspläne und Abrechnungen geführt werden, gerade in der Inflationszeit waren jedoch rasche Entscheidungen notwendig, was aufgrund der Struktur nicht möglich war: »Deshalb erfolgte in beiderseitigem besten Einvernehmen die unvermeidliche Trennung mit dem Versprechen, sich auch in Zukunft gegenseitig zu unterstützen.«
Die ordentliche Hauptversammlung vom 15. November 1923 im Hotel St. Sebald in Nürnberg beschloss die Trennung mit 46 gegen 22 Stimmen bei 16 Enthaltungen. Die inzwischen erworbenen Grundstücke in Fürth sollten »auf die Fürther Beamtenbaugenossenschaft [...] übertragen [werden], sobald sie selbständig geworden ist«. Am 2. Dezember 1923 fand dann die konstituierende erste Hauptversammlung der Fürther Mitglieder statt, die beschloss, die Beamtenbaugenossenschaft Fürth als selbständige Baugenossenschaft mit beschränkter Haftungspflicht (GmbH) zu gründen. Die bisherige Satzung der Muttergenossenschaft Nürnberg-Fürth wurde unter Abänderung und Angleichung an die Fürther Verhältnisse übernommen.
Grundstückserwerb
Die Fürther Genossenschaftsmitglieder hatten zunächst ein Grundstück beim Alten Forsthaus an der Cadolzburger Straße anvisiert, bekamen jedoch dann ein günstigeres Angebot nahe dem Wasserwerk, es wurde ein Kaufvertrag mit dem Besitzer Käferlein abgeschlossen. Das städtische Betriebsamt (Stadtwerke) setzten jedoch wegen der Nähe der Wasserfassung eine Ablehnung des Bauvorhabens durch. Die Baugenossenschaft konnte vom Kaufvertrag zurücktreten. Dem Verkäufer Käferlein gehörten weitere Grundstücke in dem Bereich, wo heute die Beamtensiedlung steht. Allerdings war auch dort die Verwirklichung des Planes nicht sicher, da die Planungen des »Grossschifffahrtskanals« dem entgegen standen. Eine genauere Prüfung ergab jedoch, dass der Abstand weit genug war. Die Verhandlungen gestalteten sich dennoch als schwierig und mühselig, da noch weitere Grundstücke notwendig waren, die überwiegend durch Tausch erworben wurden, so z.B. ein »Pfarracker« der 1. Pfarrstiftung Zirndorf. Erst 1924 war die Bereinigung aller Grundstücksangelegenheiten erledigt.
Auch mit der Wohnraumbemessung gab es Probleme, denn laut ministeriellen Verordnung und der Förderungsrichtlinien war der Wohnraum je Familie auf 70 qm begrenzt. In Verhandlungen konnte die Baugenossenschaft erreichen, dass 80 qm zugebilligt wurden.
Bei der Verwirklichung muss die Inflation von 1914 bis November 1923 beachtet werden, katastrophale Ausmaße nahm diese in der Form einer sogenannten Hyperinflation vor allem im Jahre 1923 an: Der Dollarkurs verzehnfachte sich teilweise innerhalb von wenigen Tagen, am 9. November 1923 kostete das Porto für einen Brief 1 Milliarde Mark, ein Dollar war 628,5 Milliarden Mark wert! Am 15. November 1923 wurde die Rentenmark eingeführt, ein Rentenpfennig konnte gegen 10 Milliarden Mark eingetauscht werden, ab 1. Dezember 1923 betrug das Briefporto wieder 10 Rentenpfennig. Gottlieb Wunschel beschrieb diesen Zeitabschnitt als »jene Zeit mit ihren wertvernichtenden Begleiterscheinungen und der schließlich jede Berechnung über den Haufen werfenden sprunghaften Hinaufschnellung des Zahlenwerts gegenüber den vergleichbaren Goldwertersatz ... Wundern muss man sich heute, dass bei den sprichwörtlich gewordenen Zerrinnen des Geldes in der Hand es überhaupt möglich war, noch etwas zu schaffen, zu unternehmen. Jede Dispositionsfähigkeit war genommen.«
Wohnung à 740 Billionen Mark
Noch als Glied der Nürnberger Genossenschaft wurde der 1. Bauabschnitt errichtet, schon der 2. Bauabschnitt konnte als selbständige Genossenschaft ausgeführt werden.
Der 1. Bauabschnitt (16 Wohnungen Oktober 1921 bis Juli 1922) kostete inflationsbedingt 3,9 Millionen Mark, vor 1914 wäre das eine unerhörte Summe gewesen. Der 2. Bauabschnitt (Mai 1922 bis Juni 1923) mit 20 Wohnungen belief sich dann während der Hyperinflation schon auf 238 Millionen Mark! Der 3. Bauabschnitt (August 1923 bis Februar 1924) mit nur 4 Wohnungen kostete die unglaubliche, ja geradezu astronomische Summe von 2,9 Billiarden (2.944.887.245.957.583) Mark!
Damit waren und sind die beteffenden Wohnungen à 80 qm – nämlich Wallensteinstraße 2/4 sowie Zirndorfer Straße 141/143 (heute: Aldringerstraße 29/31) – mit einem Quadratmeterpreis von 9,3 Billionen Mark die vermutlich teuersten Fürther Wohnungen aller Zeiten.
Ein Jahr später war der Preis für ebenfalls vier Wohnungen im 4. Bauabschnitt dann gerade mal 63.102 Rentenmark, entsprechend preisgünstig waren dann auch der 5. und der 6. Bauabschnitt. Ein Haus in der Südstadt (Amalienstraße 68) mit 9 Wohnungen kam 1926 auf 121.084 Mark, sowie ein weiteres als 7. Bauabschnitt bezeichnetes Anwesen ebenfalls in der Südstadt (Winklerstraße 21/23) mit 11 Parteien im Jahre 1929 auf 204.457 Rentenmark.
»Hübsche Motive«
Obwohl es anfänglich nicht beabsichtigt war, eine »architektonische Raumwirkung auf Kosten der Bauausführung zu erzielen«, so entstanden dann doch »hübsche Motive«. Soll heißen: man baute aus der Not heraus und stellte deswegen kaum gestalterische Ansprüche. Aber es ist doch etwas Ansehnliches daraus geworden, weil das Erbe des Historismus von der Bauhaus-Schiene noch nicht vollständig zerstört worden war.
Errichtet wurden insgesamt in der Beamtensiedlung Alte Veste drei Baublocks mit je zwei, drei mit je drei, zehn mit je vier Wohnungen sowie in der Südstadt drei »Hochbauten« mit 21 Wohnungen, also insgesamt 76 Wohnungen. Verteilt wurden sie auf »22 Reichsbeamte, 33 Staatsbeamte und 21 Gemeindebeamte«.
Und so schrieb Gottlieb Wunschel, dem auch eine Wohnung in der Südstadt zugeteilt wurde, im Jahre 1931: Die verwirklichten 76 Wohnungen »zeigen, wie eine Idee Gemeingut einer Gemeinschaft werden kann; beleuchten, wie das Reale mit dem Idealen in eine Form gebracht, einen soliden Guss ermöglicht; beweisen, wie Mögliches durch gemeinsames gemeinnütziges Handeln ermöglicht werden kann. Nun denn auf zu einem weiteren erfolgreichen zweiten Jahrzehnt sozialen gemeinnützigen Schaffens im Bewusstsein, bei nur noch 17 % mit Wohnungen unversorgter Mitglieder eine Tat verbracht zu haben, die die Beamtenbaugenossenschaft Fürth an der Spitze aller Bayerischen Baugenossenschaften marschieren lässt«.
Heute ...
... ist die Beamtensiedlung überwiegend noch im Besitz der Wohnungsgenossenschaft Fürth – Oberasbach eG, die aus der am 29. Juli 1920 gegründeten Wohnungsgenossenschaft »Kriegerheimstätte« hervorgegangen ist. Die »Beamtenbaugenossenschaft« verschmolz 1941 mit der WG »Kriegerheimstätte«, 1942 gingen die Wohungsbestände der Beamtengenossenschaft in den Besitz über und am 5. September 1942 erfolgte die Umbenennung der neuen Genossenschaft in »Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft eGmbH, Fürth«, die wiederum im Jahre 2011 mit der 1950 gegründeten »Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft eG, Unterasbach« verschmolz. Die jetzt neu entstandene Genossenschaft firmiert unter dem Namen »Wohnungsgenossenschaft Fürth – Oberasbach eG« (2011: 2.200 Mitglieder, 1183 Wohneinheiten). Die Genossenschaft war bei den Anstrengungen zur Unterschutzstellung der Beamtensiedlung in jeder Phase wohlwollend kooperativ. Die Gebäude werden derzeit von der Genossenschaft einzeln verkauft (also nicht in der Gesamtheit an einen Projektentwickler, wie angesichts des Schicksals der nahegelegenen Villa Grundig befürchtet) – aufgrund der 1a-Lage der Häuser sicherlich kein schweres Unterfangen.