Zeit­sprün­ge

13. Mai 2017 | von | Kategorie: Der besondere Beitrag

Schon im Jahr 2008 hat der Für­ther Fo­to­graf Ro­bert Söll­ner hi­sto­ri­sche An­sichts­kar­ten mit Für­ther Mo­ti­ven nach­fo­to­gra­fiert, al­so die da­ma­li­ge Auf­nah­me­si­tua­ti­on re­kon­stru­iert und am glei­chen Ort aus glei­cher Per­spek­ti­ve ein ak­tu­el­les Fo­to an­ge­fer­tigt. Bei­de Bil­der hat er dann je­weils zu ei­nem drit­ten über­ein­an­der­ge­legt und so gleich­sam ei­nen Zeit­sprung über gut 100 Jah­re kon­ser­viert.

Bahnhofsplatz mit Centaurenbrunnen (historische Postkarte)

Die Er­geb­nis­se sind ver­blüf­fend, und nicht sel­ten stim­men sie den er­staun­ten Be­trach­ter weh­mü­tig, denn wirk­lich schö­ner ge­wor­den sind die fest­ge­hal­te­nen Or­te in der Re­gel lei­der nicht. Kriegs­be­ding­te Sub­stanz­ver­lu­ste sind da­bei kei­nes­wegs die Haupt­ur­sa­che für die mit­un­ter stark ver­än­der­ten Si­tua­tio­nen: Die mei­sten und gra­vie­rend­sten Ein­grif­fe in das städ­te­bau­li­che Ge­fü­ge pas­sier­ten in der Nach­kriegs­zeit bis in die jüng­ste Ver­gan­gen­heit hin­ein. Sei es die von der Po­li­tik for­cier­te För­de­rung der »au­to­ge­rech­ten Stadt«, sei es die zeit­geist­be­ding­te Äch­tung »ver­spiel­ter« Bau­sti­le frü­he­rer Epo­chen, Fürth hat sich durch die Bau­tä­tig­keit in den Jahr­zehn­ten nach dem 2. Welt­krieg ge­samt­haft sehr ver­än­dert, wie die mei­sten an­de­ren Städ­te Deutsch­lands auch.

Oft­mals zei­gen die hi­sto­ri­schen Bild­post­kar­ten stark be­ar­bei­te­te An­sich­ten, bei de­nen stö­ren­de De­tails im In­ter­es­se ei­ner idea­li­sier­ten Dar­stel­lung weg­re­tou­chiert wor­den sind. Zu­dem sind die ur­sprüng­lich mo­no­chro­men Auf­nah­men ger­ne nach­träg­lich über­trie­ben ko­lo­riert wor­den. Den­noch ver­mit­teln die al­ten Kar­ten ei­nen gu­ten Ein­druck von dem, was da­mals war (und als weit­hin vor­zei­gens­wert emp­fun­den wur­de).

Die nach­fol­gend in Drei­er­grup­pen an­ge­ord­ne­ten Vor­schau­bil­der kön­nen durch An­klicken ver­grö­ßert, an­schlie­ßend kann per Maus­klick (oder durch Dre­hen am Scroll­räd­chen der Maus) wei­ter­ge­schal­tet wer­den...

Der flüch­ti­ge Be­trach­ter mag den Ein­druck be­kom­men, daß in Fürth doch noch ziem­lich viel so aus­schaut wie zur Grün­der­zeit, aber das ist na­tür­lich der Aus­wahl der Mo­ti­ve ge­schul­det. Wer ge­nau hin­schaut, be­merkt aber auch in den hier ge­zeig­ten Fo­tos an Bau­ten wie dem So­zi­al­rat­haus am Kö­nigs­platz oder auch dem Spar­kas­sen-Hoch­haus, daß frü­her stadt­pla­ne­ri­sche Um­sicht wal­te­te, wäh­rend heu­te je­der Bau­herr oder In­ve­stor die ihm ge­neh­me Ar­chi­tek­tur hin­stel­len kann, ob die sich nun be­hut­sam und be­zug­neh­mend in den Be­stand ein­fügt oder nicht...

Ei­ne rück­wärts­ge­wand­te Kla­ge über den Un­ter­gang der ver­meint­lich »gu­ten al­ten Zeit« soll hier nicht an­ge­stimmt wer­den, als Plä­doy­er für die Hei­lung re­ver­si­bler Ver­stüm­me­lun­gen darf die­ser Bei­trag frei­lich den­noch ver­stan­den wer­den: Wenn hier und da ein ver­lo­re­ner Zwie­bel­turm wie­der er­rich­tet wer­den wür­de oder in ver­ein­fach­ter Form re­kon­stru­ier­te Kriegs­ver­lu­ste wie­der an­deu­tungs­wei­se die ur­sprüng­li­che Glie­de­rung durch Zier­ele­men­te zu­rück­er­hiel­ten, wä­re punk­tu­ell schon vie­les ge­won­nen. Aber wer hat noch Geld üb­rig für Äs­the­tik, zu­mal dann, wenn heu­te vie­le Ein­zel-Ei­gen­tü­mer ge­mein­sam be­sit­zen, was frü­her ei­nem ein­zi­gen rei­chen In­du­stri­el­len ge­hör­te?

Rein hand­werk­lich ist die »licht­bild­ne­ri­sche Nach­er­zäh­lung« al­ter An­sichts­kar­ten üb­ri­gens gar nicht so ein­fach und längst nicht im­mer rea­li­sier­bar: Falls der Auf­nah­mestand­ort heu­te über­baut ist oder auf stark be­fah­re­nen Ver­kehrs­flä­chen liegt, ist die Re­kon­struk­ti­on gar nicht oder nur un­ter schwie­ri­gen Be­din­gun­gen mög­lich. Da wo es prin­zi­pi­ell mach­bar wä­re, aber durch bra­chia­len Kahl­schlag im Wort­sin­ne kein Stein mehr auf dem an­de­ren ge­blie­ben ist (Bei­spiel Gäns­berg), wür­den die Fo­tos man­gels ge­mein­sa­men Be­zugs­punk­tes kei­ner­lei Wie­der­erken­nungs­wert bie­ten. Ro­bert Söll­ner kann je­den­falls ein gu­tes Au­ge (und ei­ne kun­di­ge Hand) be­schei­nigt wer­den!

In tech­nisch über­ar­bei­te­ter Form sol­len die hier ge­zeig­ten Fo­tos dem­nächst in die lo­ka­le On­line-En­zy­klo­pä­die Für­thWi­ki über­nom­men wer­den, und zwar di­rekt in die je­wei­li­gen Ar­ti­kel zu Stra­ßen, Ge­bäu­den und Plät­zen. Der Clou da­bei: Der Be­trach­ter wird dort selbst per Maus­be­die­nung mit ei­nem Schie­ber stu­fen­los zwi­schen der hi­sto­ri­schen und der neu­zeit­li­chen Ab­bil­dung hin- und her­wech­seln kön­nen. Im Blog des För­der­ver­eins wird zu ge­ge­be­ner Zeit auf die Rea­li­sie­rung die­ser No­vi­tät hin­ge­wie­sen wer­den...

 
Ro­bert Söll­ner ist pro­fes­sio­nel­ler Fo­to­graf mit künst­le­ri­schen Am­bi­to­nen und en­ga­giert sich zu­dem eh­ren­amt­lich im Fran­ken­kon­voi e. V., ei­ner Für­ther Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on für Men­schen in Not.

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8 Kommentare zu »Zeit­sprün­ge«:

  1. Die er­sten Slider-Fo­tos zur »Selbst­be­die­nung« sind ab so­fort im Für­thWi­ki zu se­hen, und zwar in den Ar­ti­keln Cen­tau­ren­brun­nen, Feu­er­wa­che, Haupt­bahn­hof und Horn­schuch­pro­me­na­de: Klei­nes For­mat, aber ganz gro­ßes Kopf-Ki­no!

  2. […] ei­ner klei­nen Sen­sa­ti­on auf­war­ten: Der Für­ther Fo­to­graf Ro­bert Söll­ner hat schon im Jah­re 2008 zahl­rei­che hi­sto­ri­sche Stadt­an­sich­ten von Bild­post­kar­ten nach­fo­to­gra­fiert. Da­bei hat er nicht nur ein biß­chen, son­dern ganz ge­nau auf den glei­chen Blick­win­kel […]

  3. Sämt­li­che ak­tu­ell ins Für­thWi­ki ein­ge­stell­ten Slider-Fo­tos von Ro­bert Söll­ner sind ab heu­te im Ar­ti­kel zur Per­son al­pha­be­tisch ge­li­stet und an­klick­bar.

  4. Ute Schlicht sagt:

    ... wirk­lich be­ein­druckend!

    Vor al­lem wird durch den Ver­gleich deut­lich, dass in den mei­sten Fäl­len char­man­te En­sem­bles durch »Prak­ti­sches« er­setzt wur­den. Scha­de!

  5. In der Tat! Sehr scha­de ist auch der oft­mals kaum be­merk­te Ver­lust im De­tail, zum Ex­em­pel die­ser hier.

  6. Ute Schlicht sagt:

    Der Ver­lust ei­ner Tür­ver­zie­rung ist hier schon deut­lich »be­merk­bar«; al­ler­dings kann sich wohl kaum je­mand an den »Vor­her«- Zu­stand er­in­nern – ich auch nicht. Gut, dass es noch Fo­tos da­von gibt!

    Und auch in die­sem Fall sticht zu­dem ein »prak­ti­scher« Er­satz ins Au­ge: Die »pfle­ge­leich­te« Glas­tü­re!

  7. […] ab­lau­fen­de Bil­der­schau prä­sen­tiert dort ei­nen bun­ten Rei­gen aus hi­sto­ri­schen Fo­tos, epo­che­über­grei­fen­den Fo­to­mon­ta­gen und in­for­ma­ti­ven Text­ta­feln, die für das Mit­ma­chen in un­se­rem Pro­jekt […]

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