Ein Denkmal stirbt – in der »Denkmalstadt« Fürth
27. Juni 2011 | von Ralph Stenzel | Kategorie: HäuserkampfWer sich den selbstverliehenen Titel »Denkmalstadt« auf die Fahnen (und die Ortsschilder) schreibt und allerorten stolz auf die über 2000 Einzel-Denkmäler im Stadtgebiet verweist, der darf die Augen nicht verschließen, wenn mitten in der Stadt ein weiland prächtiges Haus elend vor die Hunde geht und durch Wind und Wetter im Wortsinne ruiniert wird. Genau das scheinen die Verantwortlichen aber seit längerem zu tun...
Schon vor gut zehn Jahren ist uns die wunderbare (und auch als Ensemble denkmalgeschützte) Häuserzeile in der Karolinenstraße aufgefallen, die sich westlich der Schwabacher Straße (gegenüber dem LETRA-Haus) bis hin zur Dambacher Straße erstreckt. Alles feinste fränkische Neurenaissance! Das Haus Nr. 10 aber fiel damals bereits sichtbar auf (bzw. ab) durch seinen arg vernachlässigten Zustand. Sein Besitzer, ein schrulliger, menschenscheuer Kauz, wohnt (wohnte?) nach Auskunft von Nachbarn alleine in einem Hinterhaus und ließ das große Vorderhaus absichtlich leerstehen.
Und damit verwahrlosen, wie man leider sagen muß: Es regnet seit Jahren durch das Dach, es nisten witwen- und omagefütterte Tauben in den leeren Zimmerfluchten. Jahr für Jahr wurde es nun schlimmer, die eindringende Feuchtigkeit beschleunigte den Verfall rapide. Inzwischen sind Teile des Deckenputzes heruntergefallen, bauzeitliche Stuckverzierungen wohl endgültig verloren. Man kann den desolaten Zustand im Inneren von außen bedauerlicherweise – oder gottseidank – nur erahnen.
Leider scheint man sich bei den zuständigen Ämtern nicht wirklich um das himmelschreiende Elend zu scheren: Als wir vor Jahren schon die untere Denkmalschutzbehörde auf den für jeden sichtbaren Niedergang des Hauses ansprachen, reagierte der zuständige Sachbearbeiter schnippisch bis unwirsch. Ob wir denn die Sanierung bezahlen wollten, ja was wir überhaupt damit zu tun hätten?!
Was über den ordentlichen Instanzenweg nicht effizient und geräuscharm zu erledigen ist, gehört in der Öffentlichkeit lauthals angeprangert: Es kann uns keiner erzählen, daß eine notdürftige Dachbedeckung durch Planen, Folien o.ä. außerhalb der juristischen Möglichkeiten der Stadtverwaltung liegt, selbst wenn es in diesem unseren Rechtsstaate wenig Handhabe gibt, einen durchgeknallten und/oder mittellosen Hausbesitzer selbst zu den allerdringlichsten Instandhaltungsarbeiten zu zwingen. Es gibt indes das Rechtsinstitut der Ersatzvornahme, mit der beispielsweise die Stadt Forchheim die alte Hornschuch-Villa notsichern ließ, die einem ähnlich traurigen Schicksal entgegeneilte (und dann gerade noch so eben die Kurve kriegte).
Die folgenden Aufnahmen dokumentieren den Zustand der »Karo 10« vom 23. Juni 2011:
(Alle Fotos: Ralph Stenzel)
HIer muß gerettet werden, was zu retten ist: Bis zur Entmündigung des Eigentümers (oder seinem Ableben, whichever comes first) muß wenigstens der weitere Verfall des Gebäudes gestoppt werden! Mit dem Aufstellen von playmobilesken Bauabsperrungen auf dem Bürgersteig demonstriert die Stadt neuerdings immerhin, daß ihr erstens der Schandfleck durchaus bekannt ist und sie zweitens mit dem Schlimmsten rechnet, dem Einsturz des Giebels nämlich. Soweit haben Wasser, Schimmel & Co. die Struktur des Gebäudes offenbar schon geschwächt.
Es bleibt die Hoffnung, daß buchstäblich in letzter Sekunde das einstmals stolze Haus doch noch gerettet werden kann, indem es zum Exempel durch Zwangsversteigerung in bessere und fachkundigere Hände gerät. Selbst wenn innen wohl längst nicht mehr alles erhalten werden kann, weiteres untätiges Zusehen wäre eine Bankrotterklärung der hiesigen »Denkmalschützer« und ihrer Vorgesetzten.
[...] der »Fürther Freiheit« habe ich eine vom Furor beseelte Anklageschrift gegen das Verkommenlassen eines alten Stadthauses in der entfernteren Nachbarschaft publiziert. Vielleicht hilft es ja [...]
Pressespiegel: »Wegen Einsturzgefahr: Gehsteig gesperrt« (FN)
Das nenne ich aber mal eine schnelle Reaktion! ;-)
Es bleibt die Frage, warum die Stadt nicht schon viel früher aktiv geworden ist. Der Mißstand war doch seit Jahren offenkundig, und man hätte bei rechtzeitiger Intervention noch viel von der originalen Substanz retten können...
Wieso kann man hier Zwangsweise sichern, am Lokschuppen aber nicht?
Gute Frage! Nächste Frage?
Nun, hier betrifft es ein Gebäude, das an eine öffentlichen Straße grenzt und es laufen Leute auf dem Gehsteig dran vorbei. Beim Lokschuppen ist das anders, er steht auf einem (offiziell) nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Grundstück der Deutschen Bahn.
Ich bin mir nicht sicher, ob man letzteres als »glückliche Fügung« sehen kann, denn wäre die Öffentlichkeit durch den Lokschuppen gefährdet gewesen, hätte die Bahn ihn wohl längst in einer Nacht- u. Nebelaktion abgerissen, so wie sie es mit dem Unterführungszugang in der Karolinen/Pickertstraße gemacht hat.
Ich habe mir KARO 10 von vorne angesehen (normalerweise komm ich da nicht vorbei). Gruselig – besonders im Vergleich zu den Nachbarhäusern. Wenn man die Schilderung von Ralph zur Situation von vor 10 Jahren liest, hört man jetzt noch den Amtsschimmel wiehern.
Doch Denkmalschutz ist ein schwieriges Thema. Bei der Hornschuchvilla in Forchheim ist halt ein Investor gefunden worden. Und in Fürth gibt es einige Hausbesitzer, die mit viel Liebe , guten Architekten und einigem Geld denkmalgeschützte Häuser saniert haben – Chapeau ! Und ich möchte nicht wissen, welche Kämpfe mit der Denkmalschutzbehörde auszufechten waren, um einen Zustand zu erreichen, der auch neuzeitlichen Standards – besonders im Innenausbau genügt. So geht es oft darum z.B. komische An- und Einbauten aus früherer Zeit zu beseitigen und der Denkmalschutz argumentiert mit Erhalt von Bausubstanz ( die irgendwann, irgendwer auf »Graddlerweise« unsachgemäß rein gezimmert hat.
Es gibt da komischerweise Bauträger, die haben diese Probleme nicht: Sie können manche Gebäude unter dem Label »denkmalgeschützt« (mit entsprechender steuerlichen Abschreibungsmöglichkeit) anbieten, verändern sie aber so, dass sich das Denkmal manchmal nicht einmal mehr erahnen lässt. Entkernung , Aufstockung, Anbauten, neue Fassadengliederung sind hier einige Stichworte. Für teures Geld bekommt man dann diese Substanz dann los – da es sich ja steuerlich lohnt. Leider kann man dieses Geschäftsgebaren nicht in der Weise so reglementieren, dass ein Teil der unsauber erworbenen Gewinne in einen Denkmalschutzfond fließt, um z.B. solche Gebäude wie Karo 10 zu retten.
Bin mal gespannt, wie es weiter geht, denn einen Totalabriss wie damals am Bahnhofsplatz wird man sich so leicht nicht mehr leisten können... Interessant wäre natürlich noch, wie die Stadt mit den Eigentümern von Karo 10 bisher kommuniziert hat ...
Das Haus kennt meine Mutter sehr gut. Ihr Allgemeinarzt Dr. Schandin hatte seine Praxis im Erdgeschoß.
Von außen sieht das Gebäude ja noch sehr passabel aus, aber Feuchtigkeit ist auf Dauer natürlich Gift für den relativ empfindlichen Sandstein. Hat man dann als Zwischendecken Feldboden, dauert es nicht lange bis mal eine Decke runterkommt. Da ich ja als Hobby »Urban Exploring« betreibe, kenne ich natürlich einige Gebäude die noch viel schlimmer aussehen.
Beispiele gibt es in Fürth ja einige:
Lokschuppen
Wolfsgrubermühle
Das Haus Ecke Karolinen / Schwabacherstraße, diagonal gegenüber LETRA
Das Haus Ecke Karolinen / Schwabacherstraße ist ein Kuriosum. Seit ich denken kann (bin 31 Jahre alt) steht das Haus da und vergammelt vor sich hin. Meine Vater meinte dort war sein Zahnarzt drin, ein Dr. Fichtner. Am Klingelbrett steht der Name des Herren tatsächlich noch dran. Nach seinem Ableben stand das Haus leer, es müssen min. 26 Jahre sein. Der Garten scheint vermietet zu sein. Ich erinnere mich das wir schon im zonebattler Blog darüber gesprochen hatten. Weiß jemand was über das Haus? Warum steht es so lange leer? Erbenstreit evtl.?
Du hattest jenes Haus in der Tat schon einmal bei mir im Blog erwähnt. Aber darüber weiß ich immer noch nichts zu sagen, vielleicht erzählt uns ja der fast allwissende Doc Bendit was dazu?
Die sich schon über viele Jahre hinziehende Agonie des in diversen Kommentaren erwähnten Lokschuppens habe ich übrigens auch im eigenen Blog dokumentiert.
Der fast allwissende Doc weiß nur, dass es sich bei dem Haus Schwabacher Str. 53 um das erste Haus der damals neu gegründeten Südstadt handelt, sozusagen der Brückenkopf der Südstadt. Das befremdlich wirkende Betonfundament und der hohe Treppenaufgang resultieren aus der nachträglichen Straßenabsenkung für den Bau der Schwabacher Unterführung. Seither ist der Keller praktisch das Erdgeschoss. Warum es so lange leersteht kann ich nicht sagen, aber Andre wird schon recht haben. Wär schade wenns irgendwann wegkommt...
Ein ewiges Trauerspiel ist ja auch der »Goldene Schwan« am Grünen Markt. Könnte denn hier nicht auch die Ersatzvornahme greifen, nachdem sich ja die Besitzerin, Frau Lechner, seit vielen Jahren weigert, auch nur die nötigsten Maßnahmen zu ergreifen? Dies geschieht im Übrigen trotz ausreichend vorhandener finanzieller Mittel der Eigentümerin. Inzwischen fehlen am Objekt teilweise die Fensterscheiben, so dass Kälte und Feuchtigkeit ungehindert eindringen können. Hier wird ein Fürther Baudenkmal ersten Ranges dem Verfall preisgegeben.
KARO 10
ich habe vor 20 Jahren den Besitzer gefragt ob er eine Wohnung vermieten würde und bekam zur Antwort: der Ärger mit Mietern und es wäre nichts saniert, keine Heizung, elektrische Leitungen noch Aufputz, usw. und überhaupt solange die Partei (die damals regierte) an der Macht wäre, würde er das Haus leer stehen lassen.
Denkmalschutz/Sanierung ist sehr teuer und da fehlt wahrscheinlich das Geld.
Ich bin der Meinung, da geht Wohnraum verloren und deshalb lieber günstig vermieten, außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass viele Menschen bei geringer Miete und ein wenig Eigenleistung, gerne in einer großen Wohnung, leben wollen würden.
Wäre auch dafür, dass in einigen Fällen zum Allgemeinwohl, enteignet werden muss!
Pressespiegel: »Kampf dem Verfall« (FN)
zu 8. und 11.: ja die Lage hat sich nicht gebessert, im Gegenteil, dass Haus Schwabacher Str. 53 (von 1831, denkmalgeschützt) soll wohl für ein »Wohn- und Geschäftshaus« Platz machen welches die ganze Ecke einnehmen wird. Sozusagen ein weiteres Bürohaus mit leerstehenden Gewerbeflächen – passt gut zum Letra-Haus gegenüber. Ein weiterer Tiefschlag für den Denkmalschutz. Blanker Hohn, dass sich an anderer Stelle ernsthaft Gedanken um eine Weltkulturerbe-Bewerbung gemacht wird.
Woanders klammert man sich an weitaus größere Bruchbuden , was läuft in Fürth nur falsch ??
Solange Denkmalschutz bedeutet, dass solche Gebäude mit mehreren Zig- oder gar Hunderttausend Euro von den Eigentümern instand gehalten werden müssen, würde ich es auch verfallen lassen. Abriß ist billiger.
Diejenigen, die Denkmalschutz schreien, insbesondere der Freistaat oder die Stadt geben nämlich nix dazu, erzwingen aber Denkmalschutz.
Pressespiegel: »Perlen im Tiefschlaf« (FN)
Pressespiegel: »Fürther Stadtbild: Kommune darf nicht, wie sie will« (FN)
Für die »Karo 10« scheint sich ein spätes Happy End anzubahnen. Jedenfalls meine ich das dem Rundbrief Nr. 82 von Stadtheimatpfleger Dr. Alexander Mayer entnehmen zu können. Wäre ja schön!
Pressespiegel: »Neue Hoffnung für ein altes Gemäuer« (FN)
Pressespiegel: »Karolinenstraße: Marodes Haus mit lebendiger Geschichte« (FN)