Bü­ro­kra­tie

4. Februar 2012 | von | Kategorie: Politik
Bürokratie - notwendiges Übel oder Geldverschwendung? (Foto: Ralph Stenzel)

Bü­ro­kra­tie – not­wen­di­ges Übel oder Geld­ver­schwen­dung?
(Fo­to: Ralph Sten­zel)

Seit Jah­ren be­tä­tigt sich Ed­mund Stoi­ber, ehe­mals baye­ri­scher Mi­ni­ster­prä­si­dent, in Brüs­sel als Lei­ter der An­ti-Bü­ro­kra­tie-Ar­beits­grup­pe der EU-Kom­mis­si­on. 40 Mil­li­ar­den Eu­ro sol­len sei­ne Ein­spa­rungs­vor­schlä­ge für eu­ro­päi­sche Un­ter­neh­men brin­gen. Auf­grund die­ser Er­folgs­bi­lanz wur­de sein Ar­beits­ver­trag in Brüs­sel bis 2012 ver­län­gert. An Bay­ern scheint Bü­ro­kra­tie­ab­bau vor­bei ge­gan­gen zu sein: Wel­che Ka­prio­len bü­ro­kra­ti­sches Han­deln in der baye­ri­schen Ver­wal­tung schlägt, soll nach­fol­gend an ei­nem Bei­spiel aus Fürth auf­ge­zeigt wer­den.

Auf­grund des Kom­mu­nal­ab­ga­ben­ge­set­zes sind Stra­ßen­aus­baubei­trä­ge – hier Aus­ga­ben für Ober­flä­chen­ent­wäs­se­rung und neue Stra­ßen­be­leuch­tung – zeit­nah auf die An­lie­ger zu ver­tei­len. Im vor­lie­gen­den Fall geht es um Ar­bei­ten für die Horn­schuch­pro­me­na­de zwi­schen Lui­sen- und Ja­ko­bi­nen­stra­ße. 8.625,76 Eu­ro ste­hen zur Ver­tei­lung an.

Um dies zu be­werk­stel­li­gen, sind

  1. in Zu­sam­men­ar­beit von Tief­bau- und Stadt­pla­nungs­amt Fürth die be­trof­fe­nen Häu­ser mit ih­ren Grund­da­ten (Grund­stücks­grö­ßen und Ge­schoss­flä­chen) zu er­mit­teln; so­dann sind

  2. in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Amts­ge­richt – Abt. Grund­buch­amt – die Ei­gen­tü­mer der An­we­sen und Woh­nun­gen so­wie die zu­ge­hö­ri­gen Mit­ei­gen­tums­an­tei­le zu er­mit­teln; so­dann sind

  3. die ak­tu­el­len Adres­sen der Ei­gen­tü­mer fest­zu­stel­len, denn Rech­nun­gen müs­sen ja mit ei­nem ein­deu­ti­gen Rech­nungs­emp­fän­ger ver­se­hen sein. Tei­len sich meh­re­re Ei­gen­tü­mer mit un­ter­schied­li­chen Wohn­or­ten in ei­ne Woh­nung, kann sich die Re­cher­che­ar­beit leicht ver­dop­peln; so­dann geht es

  4. an das Ko­sten­ver­tei­lungs­ta­bleau, denn al­le Be­trof­fe­nen – hier geht es um rund 20 An­we­sen – sol­len ja glei­cher­ma­ßen be­la­stet wer­den. Sind klei­ne Mit­ei­gen­tums­an­tei­le da­bei, z.B. für Kel­ler­ab­tei­le, kön­nen leicht Be­la­stun­gen zwi­schen 1 Eu­ro und 2 Eu­ro her­aus­kom­men. Teilt sich ein Ehe­paar als Ei­gen­tü­mer das Kel­ler­ab­teil, trägt je­der hier­von die Hälf­te. Steht die Ver­tei­lungs­ta­bel­le, wer­den

  5. al­le Ei­gen­tü­mer – viel­leicht um die 300 – dar­über schrift­lich in­for­miert, dass in Kür­ze ein Bei­trags­be­scheid auf sie zu­kommt und sie die Mög­lich­keit ha­ben, sich gem. Bay­er. Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­setz über die vor­ge­se­he­ne Ab­rech­nung im Tief­bau­amt der Stadt Fürth in Kennt­nis zu set­zen. Et­wa drei Wo­chen spä­ter er­folgt

  6. der kom­bi­nier­te Be­scheid- und Rech­nungs­er­lass. Ein Ehe­paar mit vier Mit­ei­gen­tums­ein­hei­ten (1 Woh­nung, 3 Kel­ler­ab­tei­le) er­hält dann 8 Bescheide/Rechnungen, wenn sie nicht zu­vor um Ein­däm­mung der Pa­pier­flut ge­be­ten ha­ben. Da Rech­nun­gen nicht »in der Luft« hän­gen kön­nen, er­hal­ten sie

  7. in der Stadt­kas­se Fürth Stück für Stück Kas­sen­zei­chen und wer­den ge­bucht – die Ko­pien na­tür­lich, denn die Ori­gi­na­le ha­ben ja die Rech­nungs­emp­fän­ger er­hal­ten. Zah­lungs­frist sind 4 Wo­chen (ein Mo­nat nach Zu­stel­lung). Jetzt kann die Ver­wal­tung nur hof­fen, dass kei­ne Wi­der­sprü­che er­fol­gen, denn dann kann es dau­ern, bis das Geld kommt – oder auch nicht. Nach ei­nem Mo­nat geht

  8. die Kon­trol­le des Zah­lungs­ein­gangs los. Bei gro­ßen Be­trä­gen wird das si­cher zeit­nah er­fol­gen, bei klei­ne­ren wird es sich zeit­lich strecken. Ei­ne lä­sti­ge, lang­wie­ri­ge Ar­beit, die ver­mut­lich vie­le Stun­den bin­det, in­klu­si­ve Mahn­schrei­ben.

Und was ist das Fa­zit die­ses Vor­gangs? Ei­gent­lich nur, dass Bü­ro­kra­tie Ar­beits­plät­ze er­hält. Die Wirt­schaft­lich­keit des Ver­wal­tungs­han­delns bleibt au­ßer Be­tracht. Be­wer­tet man näm­lich al­le auf­ge­zähl­ten Ar­beits­schrit­te, so ist die Sum­me der be­wer­te­ten Ver­wal­tungs­ar­beit zu­züg­lich der Sach­ko­sten (Schrei­ben, Ko­pien, Por­to usf.) nicht we­ni­ger hoch zu ver­an­schla­gen als die um­la­ge­fä­hi­gen Ko­sten in Hö­he von 8.625,76 Eu­ro.

Wä­re es da nicht ver­nünf­ti­ger Lö­sun­gen zu prak­ti­zie­ren, die mit der Ar­beits­kraft von Ver­wal­tungs­spe­zia­li­sten in­tel­li­gen­ter um­ge­hen? Es herrscht doch Fach­kräf­te­man­gel! Aber da Herr Dr. Stoi­ber ja noch in 2012 als An­ti-Bü­ro­kra­tie­be­auf­trag­ter tä­tig ist, bleibt die Hoff­nung, dass er sich viel­leicht auch noch ein­mal »sei­ner« Ver­wal­tungs­ge­set­ze an­nimmt.

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3 Kommentare zu »Bü­ro­kra­tie«:

  1. Die­ses de­tail­liert be­schrie­be­ne Um­la­ge­ver­fah­ren ist doch vor al­lem ei­nes: ge­recht. Über­dies ist an­zu­neh­men, daß die mei­sten der ge­schil­der­ten Teil­schrit­te heut­zu­ta­ge EDV-ge­stützt, mit­hin ef­fi­zi­ent und schnell ab­lau­fen und zu­dem we­nig mensch­li­che Ar­beits­kraft bin­den. Vor al­lem aber: Was wä­ren denn die Al­ter­na­ti­ven? Ab­schaf­fung des pri­va­ten Wohn­ei­gen­tums wä­re wohl die ra­di­kal­ste Wei­se, der­lei Ver­tei­lungs­ver­fah­ren ob­so­let zu ma­chen (daß die staat­li­che Be­wirt­schaf­tung von Im­mo­bi­li­en den­noch nicht funk­tio­niert, darf an­ge­sichts der Ge­schich­te frei­lich als er­wie­sen gel­ten). Oder soll­ten Um­la­gen erst ab ei­ner ge­wis­sen Hö­he statt­fin­den? Wer leg­te denn da den Schwell­wert fest? Wä­re die Her­stel­lung ma­te­ri­el­ler (Verteilungs-)Gerechtigkeit erst ober­halb ei­ner »Ba­ga­tell­gren­ze« über­haupt ver­fas­sungs­ge­mäß? Über bü­ro­kra­ti­sche Aus­wüch­se läßt sich si­cher­lich dis­ku­tie­ren, aber hier scheint mir per­sön­lich we­nig Grund zur Kla­ge vor­zu­lie­gen...

  2. Doc Bendit sagt:

    @ Ralph: se­he ich auch so !

  3. Michael Müller sagt:

    Es ist na­he­lie­gend, beim hier be­schrie­be­nen Bei­spiel ei­ner aus­ufern­den Bü­ro­kra­tie die Ge­rech­tig­keit ins Spiel zu brin­gen. Aber dar­um geht es im Kern gar nicht. Nach dem Kom­mu­nal­ab­ga­ben­ge­setz als Re­gel­werk wird hier rich­tig oder kor­rekt ver­fah­ren. Das Grund- und Wohn­ei­gen­tum hat die La­sten nach Mit­ei­gen­tums­an­tei­len zu tra­gen. Ge­stellt wird viel­mehr die wohl be­rech­tig­te Fra­ge, ob es sinn­voll sei, für ei­nen Ko­sten­ver­tei­lungs­vor­gang noch ein­mal ge­nau so ho­he oder gar noch hö­he­re Ko­sten (d.h. Ver­wal­tungs­ko­sten) zu pro­du­zie­ren, wie die, die ver­teilt wer­den müs­sen. Was ist al­so zu tun?

    1. Um ef­fi­zi­en­ter zu wer­den, soll­te über­legt wer­den, Pro­jekt­ko­sten bis zu ei­nem be­stimm­ten Grenz­be­trag ge­ne­rell nicht zu ver­tei­len, son­dern aus der »Ge­mein­de­kas­se« zu ali­men­tie­ren. Hier­für lässt sich ins Spiel brin­gen, dass der Grund- und Wohn­raum­ei­gen­tü­mer durch die Grund­steu­er (ei­ne Ge­mein­de­steu­er) oh­ne­hin ei­ne sein Ei­gen­tum be­la­sten­de Ab­ga­be zu ent­rich­ten hat. In Fürth ist die­se in 2010 kräf­tig er­höht wor­den und bringt der Kom­mu­ne ak­tu­ell rund 23 Mio. € im Jahr.

    2. Ei­ne an­de­re Mög­lich­keit be­stün­de dar­in, ei­nen Ko­sten­samm­ler zu schaf­fen, der (zeit­lich) so lan­ge der­ar­ti­ge An­lie­ger­ko­sten the­sau­ri­ert, bis ein Ko­sten-Grenz­be­trag über­schrit­ten ist und sich die Ver­tei­lungs­rech­nung »lohnt«. Die­ses Vor­ge­hen hät­te ver­mut­lich den wün­schens­wer­ten Ne­ben­ef­fekt, dass Ba­ga­tell­ar­bei­ten ein­ge­dämmt wür­den nach dem Mot­to, wenn schon Pro­jek­te, dann rich­ti­ge Pro­jek­te; al­so bes­se­re Pla­nung und mehr Weit­sich­tig­keit.

    Was die Wirt­schaft­lich­keit des Ver­wal­tungs­han­delns be­trifft, so muss ich Ralph Sten­zel mit der har­ten Wirk­lich­keit ver­traut ma­chen. We­sent­li­che Tei­le der Ar­bei­ten sind nur »hän­disch« zu ma­chen und da­mit we­der ef­fi­zi­ent noch schnell zu er­le­di­gen. Das liegt an der Ma­te­rie, nicht an den Men­schen und der DV-Durch­drin­gung. Es geht hier gro­ßen­teils um pin­ge­li­ge In­di­vi­du­al­ar­beit. – Und an­zu­mer­ken ist über­dies, dass das auf­ge­führ­te Bei­spiel kein Ein­zel- und Aus­nah­me­fall ist, son­dern vie­le Vor­gän­ge die­ser Art den Ver­wal­tungs­all­tag im Tief­bau­amt be­stim­men.

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