Denkmalschutz in Bayern: Verfassungsgut oder Feigenblatt?
24. Juli 2013 | von Thomas Heyden | Kategorie: HäuserkampfOffener Brief der Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth« und des Vereins »Wir sind Fürth«:
Herrn Horst von Bassewitz
Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission der
Deutschen Stiftung Denkmalschutz
Schlegelstraße 1
53113 Bonn
Fürth, den 23. Juli 2013
Offener Brief zum drohenden Abriss des Park-Hotel-Festsaals in Fürth
Sehr geehrter Herr von Bassewitz,vielen herzlichen Dank für die klaren Worte, die Sie für den drohenden Abriss des Festsaals des ehemaligen Park-Hotels in Fürth gefunden haben. Ja, es ist tatsächlich ein »eklatanter Fall von Kulturlosigkeit«! Selten zuvor wurde den Verantwortlichen in der Stadtspitze so unmissverständlich gesagt, was sie da eigentlich treiben.
Die Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth«, die seit Ende 2008 das Projekt einer Shopping-Mall mit 25.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und später eines »Einkaufsschwerpunkts« mit 15.000 Quadratmeter links und rechts der Rudolf-Breitscheid-Straße kritisch, aber immer auch konstruktiv begleitet hat, ist mit ihrem Latein am Ende. Egal, was wir unternehmen, immer landen wir mit unseren Bemühungen, den Saal zu retten, in einem Bermudadreieck zwischen Fürth, Ansbach und München, in dem beim Hin und Her zwischen der skrupellos agierenden Stadtverwaltung, der passiven Regierung von Mittelfranken, dem offensichtlich machtlosen Landesdenkmalamt, dem ohnehin nur konsultativen Landesdenkmalrat und dem Petitionsausschuss des Landtags, in den der lange Arm der allein regierenden Fürther Sozialdemokratie hineinreicht, der Denkmalschutz auf der Strecke bleibt. Der Kampf gegen den Abriss des Festsaals hat sich zu einem Paradebeispiel dafür entwickelt, auf welch tönernen Füßen der Denkmalschutz in Bayern steht.
Es beginnt mit dem Geburtsfehler des Denkmalschutzes schlechthin, dass nämlich der Baureferent gleichzeitig den Vertreter der Unteren Denkmalschutzbehörde zu spielen hat. Eine unselige Personalunion, die zwangsläufig zu Rollenkonflikten führen muss. Wenn sich dann auch noch das scheinbar so mächtige Landesdenkmalamt als zahnloser Tiger entpuppt, klingt es wie Hohn, dass der Denkmalschutz in Bayern Verfassungsrang genießt! Als nicht unmittelbar betroffene, d. h. abseits des entstehenden »Einkaufsschwerpunkts« wohnende Bürger können wir noch nicht einmal zu juristischen Mitteln greifen, um unser Recht auf Einspruch gegen die Selbstverstümmelung der »Denkmalstadt« Fürth wahrzunehmen. Gegen eine bereits während des Bebauungsplanverfahrens erteilte Abrissgenehmigung kann nicht geklagt werden. Da der Bebauungsplan den Abriss des Festsaals nicht festlegt, kann auch er diesbezüglich juristisch nicht angegriffen werden. Eine Popularklage liefe ins Leere einer Gesetzeslücke, die von der Stadt in schamloser Weise genutzt wird, um ja allen Wünschen des Errichters der »Neuen Mitte« zu entsprechen.
Wer schützt den Denkmalschutz in unserem Land? Auch wenn sich die Bürgerinitiative nach dem Abriss des Festsaals auflösen sollte, bleiben ihre Mitglieder zusammen mit dem Verein »Wir sind Fürth« an dieser Frage interessiert. Vielleicht gelingt es uns ja, Sie oder ein anderes hochrangiges Mitglied der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für einen Vortrag in Fürth zu gewinnen.
Mit solidarischen Grüßen aus der »Denkmalstadt« Fürth
Manuela Helfrich, Dr. Thomas Heyden
für die Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth«Felix Geismann
für den Verein »Wir sind Fürth«
Alea jacta sunt... Der Festsaal wird aufgrund der oben beschriebenen unglücklichen Verstrickungen und der starren Haltung von Stadt und Investor fallen. Es ehrt die BI, dass bis zum Letzten für den Erhalt gekämpft wird. Damit heben sich die Mitglieder wohltuend von den immer gleich agierenden »Pro-neue-Mitte« Aktivisten ab. Mitmenschen, die bereit sind, die Identität ihrer Stadt einem beliebigen Geschäftshaus zu opfern. Mitmenschen, die nicht dazu bereit oder in der Lage dazu sind, eine Abwägung zwischen Kultur und Kommerz zu wagen. Mitmenschen, die ihre Schaffenskraft lieber in den Dienst eines Investors geben, statt selber Konzepte und Vorschläge zu unterbreiten. Mitmenschen die vor allem Eines wollen: Shoppen bei den immer gleichen Filialisten.
Fürth braucht neue Einkaufsmöglichkeiten. Nur fehlt das Alleinstellungsmerkmal, dass Fürth aus dem Angebot der Nachbarkommunen hervorhebt. Die Chance, den Festsaal dazu zu machen, wird vom Investor und der Stadt nicht genutzt. Und noch viel schlimmer: Fürth ruiniert sich selber den Ruf als Denkmalstadt und gibt zukünftigen Investoren eine Steilvorlage, wenn es um die Missachtung des Denkmalschutzes geht. Daran haben die Stadtoberen offensichtlich nie gedacht!
Auch wenn der Protest offensichtlich nicht gefruchtet hat: eine Selbstauflösung der BI »Besser Mitte Fürth« halte ich für wenig zielführend. Vielmehr sollte aus den gemachten (negativen) Erfahrungen die Konsequenz erfolgen, dass die BI z.B. in Form eines Vereins (z.B. als Denkmalverein Fürth o.ä.) weiterlebt, der allen engagierten Fürthern offen steht. Dieser Verein könnte die Denkmalfragen Fürths auch über St. Michael hinaus abbilden und vertreten. Losgelöst von der emotionalen und singulären Diskussion um neue Einkaufsmöglichkeiten besteht dann auch die Chance, in Zukunft aktiv und gut organisiert auf etwaige negative Stadtentwicklungen Einfluss zu nehmen. Auch bestünde die Chance, Fürths (noch) einzigartige Bausubstanz über die Stadtgrenzen hinaus bekannt zu machen. Trotz des sich anbahnenden bitteren Verlustes des Festsaals ist es doch wert, sich weiter für den Erhalt der historischen Bausubstanz zu engagieren!
Und wie lauten die klaren Worte des Herrn von Bassewitz?
O‑Ton Bayern 2, Sendung zu 40 Jahre Denkmalschutzgesetz:
»Ein besonders trauriges Beispiel gibt derzeit Fürth ab«
http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/bayernchronik/40-jahre-denkmalschutz-bayern-bilanz-100.html
Pressespiegel: »Der Denkmalschutz traut sich was« (nordbayern.de)
Pressespiegel: »Hartleibige Nostalgiker« (Bayerische Staatszeitung)