Denk­mal­schutz in Bay­ern: Ver­fas­sungs­gut oder Fei­gen­blatt?

24. Juli 2013 | von | Kategorie: Häuserkampf

Festsaal des Parkhotels (Computerrekonstruktion: Dipl.-Ing. Klaus Heller)

Of­fe­ner Brief der Bür­ger­initia­ti­ve »Ei­ne bes­se­re Mit­te für Fürth« und des Ver­eins »Wir sind Fürth«:

Herrn Horst von Bas­se­witz
Vor­sit­zen­der der Wis­sen­schaft­li­chen Kom­mis­si­on der
Deut­schen Stif­tung Denk­mal­schutz
Schle­gel­stra­ße 1
53113 Bonn

 
Fürth, den 23. Ju­li 2013

 
Of­fe­ner Brief zum dro­hen­den Ab­riss des Park-Ho­tel-Fest­saals in Fürth

 
Sehr ge­ehr­ter Herr von Bas­se­witz,

vie­len herz­li­chen Dank für die kla­ren Wor­te, die Sie für den dro­hen­den Ab­riss des Fest­saals des ehe­ma­li­gen Park-Ho­tels in Fürth ge­fun­den ha­ben. Ja, es ist tat­säch­lich ein »ekla­tan­ter Fall von Kul­tur­lo­sig­keit«! Sel­ten zu­vor wur­de den Ver­ant­wort­li­chen in der Stadt­spit­ze so un­miss­ver­ständ­lich ge­sagt, was sie da ei­gent­lich trei­ben.

Die Bür­ger­initia­ti­ve »Ei­ne bes­se­re Mit­te für Fürth«, die seit En­de 2008 das Pro­jekt ei­ner Shop­ping-Mall mit 25.000 Qua­drat­me­ter Ver­kaufs­flä­che und spä­ter ei­nes »Ein­kaufs­schwer­punkts« mit 15.000 Qua­drat­me­ter links und rechts der Ru­dolf-Breit­scheid-Stra­ße kri­tisch, aber im­mer auch kon­struk­tiv be­glei­tet hat, ist mit ih­rem La­tein am En­de. Egal, was wir un­ter­neh­men, im­mer lan­den wir mit un­se­ren Be­mü­hun­gen, den Saal zu ret­ten, in ei­nem Ber­mu­da­drei­eck zwi­schen Fürth, Ans­bach und Mün­chen, in dem beim Hin und Her zwi­schen der skru­pel­los agie­ren­den Stadt­ver­wal­tung, der pas­si­ven Re­gie­rung von Mit­tel­fran­ken, dem of­fen­sicht­lich macht­lo­sen Lan­des­denk­mal­amt, dem oh­ne­hin nur kon­sul­ta­ti­ven Lan­des­denk­mal­rat und dem Pe­ti­ti­ons­aus­schuss des Land­tags, in den der lan­ge Arm der al­lein re­gie­ren­den Für­ther So­zi­al­de­mo­kra­tie hin­ein­reicht, der Denk­mal­schutz auf der Strecke bleibt. Der Kampf ge­gen den Ab­riss des Fest­saals hat sich zu ei­nem Pa­ra­de­bei­spiel da­für ent­wickelt, auf welch tö­ner­nen Fü­ßen der Denk­mal­schutz in Bay­ern steht.

Es be­ginnt mit dem Ge­burts­feh­ler des Denk­mal­schut­zes schlecht­hin, dass näm­lich der Bau­re­fe­rent gleich­zei­tig den Ver­tre­ter der Un­te­ren Denk­mal­schutz­be­hör­de zu spie­len hat. Ei­ne un­se­li­ge Per­so­nal­uni­on, die zwangs­läu­fig zu Rol­len­kon­flik­ten füh­ren muss. Wenn sich dann auch noch das schein­bar so mäch­ti­ge Lan­des­denk­mal­amt als zahn­lo­ser Ti­ger ent­puppt, klingt es wie Hohn, dass der Denk­mal­schutz in Bay­ern Ver­fas­sungs­rang ge­nießt! Als nicht un­mit­tel­bar be­trof­fe­ne, d. h. ab­seits des ent­ste­hen­den »Ein­kaufs­schwer­punkts« woh­nen­de Bür­ger kön­nen wir noch nicht ein­mal zu ju­ri­sti­schen Mit­teln grei­fen, um un­ser Recht auf Ein­spruch ge­gen die Selbst­ver­stüm­me­lung der »Denk­mal­stadt« Fürth wahr­zu­neh­men. Ge­gen ei­ne be­reits wäh­rend des Be­bau­ungs­plan­ver­fah­rens er­teil­te Ab­riss­ge­neh­mi­gung kann nicht ge­klagt wer­den. Da der Be­bau­ungs­plan den Ab­riss des Fest­saals nicht fest­legt, kann auch er dies­be­züg­lich ju­ri­stisch nicht an­ge­grif­fen wer­den. Ei­ne Po­pu­lar­kla­ge lie­fe ins Lee­re ei­ner Ge­set­zes­lücke, die von der Stadt in scham­lo­ser Wei­se ge­nutzt wird, um ja al­len Wün­schen des Er­rich­ters der »Neu­en Mit­te« zu ent­spre­chen.

Wer schützt den Denk­mal­schutz in un­se­rem Land? Auch wenn sich die Bür­ger­initia­ti­ve nach dem Ab­riss des Fest­saals auf­lö­sen soll­te, blei­ben ih­re Mit­glie­der zu­sam­men mit dem Ver­ein »Wir sind Fürth« an die­ser Fra­ge in­ter­es­siert. Viel­leicht ge­lingt es uns ja, Sie oder ein an­de­res hoch­ran­gi­ges Mit­glied der Deut­schen Stif­tung Denk­mal­schutz für ei­nen Vor­trag in Fürth zu ge­win­nen.

Mit so­li­da­ri­schen Grü­ßen aus der »Denk­mal­stadt« Fürth

Ma­nue­la Helf­rich, Dr. Tho­mas Heyden
für die Bür­ger­initia­ti­ve »Ei­ne bes­se­re Mit­te für Fürth«

Fe­lix Geismann
für den Ver­ein »Wir sind Fürth«

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5 Kommentare zu »Denk­mal­schutz in Bay­ern: Ver­fas­sungs­gut oder Fei­gen­blatt?«:

  1. Michael Gründel sagt:

    Alea jac­ta sunt... Der Fest­saal wird auf­grund der oben be­schrie­be­nen un­glück­li­chen Ver­strickun­gen und der star­ren Hal­tung von Stadt und In­ve­stor fal­len. Es ehrt die BI, dass bis zum Letz­ten für den Er­halt ge­kämpft wird. Da­mit he­ben sich die Mit­glie­der wohl­tu­end von den im­mer gleich agie­ren­den »Pro-neue-Mit­te« Ak­ti­vi­sten ab. Mit­men­schen, die be­reit sind, die Iden­ti­tät ih­rer Stadt ei­nem be­lie­bi­gen Ge­schäfts­haus zu op­fern. Mit­men­schen, die nicht da­zu be­reit oder in der La­ge da­zu sind, ei­ne Ab­wä­gung zwi­schen Kul­tur und Kom­merz zu wa­gen. Mit­men­schen, die ih­re Schaf­fens­kraft lie­ber in den Dienst ei­nes In­ve­stors ge­ben, statt sel­ber Kon­zep­te und Vor­schlä­ge zu un­ter­brei­ten. Mit­men­schen die vor al­lem Ei­nes wol­len: Shop­pen bei den im­mer glei­chen Fi­lia­li­sten.

    Fürth braucht neue Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten. Nur fehlt das Al­lein­stel­lungs­merk­mal, dass Fürth aus dem An­ge­bot der Nach­bar­kom­mu­nen her­vor­hebt. Die Chan­ce, den Fest­saal da­zu zu ma­chen, wird vom In­ve­stor und der Stadt nicht ge­nutzt. Und noch viel schlim­mer: Fürth rui­niert sich sel­ber den Ruf als Denk­mal­stadt und gibt zu­künf­ti­gen In­ve­sto­ren ei­ne Steil­vor­la­ge, wenn es um die Miss­ach­tung des Denk­mal­schut­zes geht. Dar­an ha­ben die Stadt­obe­ren of­fen­sicht­lich nie ge­dacht!

    Auch wenn der Pro­test of­fen­sicht­lich nicht ge­fruch­tet hat: ei­ne Selbst­auf­lö­sung der BI »Bes­ser Mit­te Fürth« hal­te ich für we­nig ziel­füh­rend. Viel­mehr soll­te aus den ge­mach­ten (ne­ga­ti­ven) Er­fah­run­gen die Kon­se­quenz er­fol­gen, dass die BI z.B. in Form ei­nes Ver­eins (z.B. als Denk­mal­ver­ein Fürth o.ä.) wei­ter­lebt, der al­len en­ga­gier­ten Für­thern of­fen steht. Die­ser Ver­ein könn­te die Denk­mal­fra­gen Fürths auch über St. Mi­cha­el hin­aus ab­bil­den und ver­tre­ten. Los­ge­löst von der emo­tio­na­len und sin­gu­lä­ren Dis­kus­si­on um neue Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten be­steht dann auch die Chan­ce, in Zu­kunft ak­tiv und gut or­ga­ni­siert auf et­wa­ige ne­ga­ti­ve Stadt­ent­wick­lun­gen Ein­fluss zu neh­men. Auch be­stün­de die Chan­ce, Fürths (noch) ein­zig­ar­ti­ge Bau­sub­stanz über die Stadt­gren­zen hin­aus be­kannt zu ma­chen. Trotz des sich an­bah­nen­den bit­te­ren Ver­lu­stes des Fest­saals ist es doch wert, sich wei­ter für den Er­halt der hi­sto­ri­schen Bau­sub­stanz zu en­ga­gie­ren!

  2. GünniS sagt:

    Und wie lau­ten die kla­ren Wor­te des Herrn von Bas­se­witz?

  3. Alexander Mayer sagt:

    O‑Ton Bay­ern 2, Sen­dung zu 40 Jah­re Denk­mal­schutz­ge­setz:

    »Ein be­son­ders trau­ri­ges Bei­spiel gibt der­zeit Fürth ab«

    http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/bayernchronik/40-jahre-denkmalschutz-bayern-bilanz-100.html

  4. Pres­se­spie­gel: »Hart­lei­bi­ge Nost­al­gi­ker« (Baye­ri­sche Staats­zei­tung)

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