Ge­lun­ge­ner Vor­trag von To­ni Hof­rei­ter zu TTIP & CETA

25. Juli 2016 | von | Kategorie: Wirtschaft

Auf Ein­la­dung der Für­ther GRÜNEN sprach MdB Dr. An­ton »To­ni« Hof­rei­ter am 19. Ju­li 2016 in Fürth über die ge­plan­ten Frei­han­dels­ab­kom­men TTIP und CETA. Über 120 in­ter­es­sier­te Zuhörer*innen wa­ren trotz des fan­ta­sti­schen Bier­gar­ten-Wet­ters in die Frei­bank am Waag­platz ge­kom­men, die da­her wirk­lich prop­pen­voll war – ein kla­res Zei­chen da­für, dass das The­ma brand­ak­tu­ell ist und bei vie­len Bürger*innen In­for­ma­ti­ons­be­darf be­steht.

Toni Hofreiter beim Vortrag in der Fürther Freibank (Foto: Kamran Salimi)

To­ni Hof­rei­ter beim Vor­trag in der Für­ther Frei­bank
(Fo­to: Kam­ran Sa­li­mi)

In dem Vor­trag ging es um die ge­plan­ten Frei­han­dels­ab­kom­men CETA (mit Ka­na­da) und TTIP (mit den USA) und die lau­fen­de Un­ter­schrif­ten­samm­lung für ein Volks­be­geh­ren ge­gen CETA. Die Tat­sa­che, dass Ver­trä­ge zwi­schen de­mo­kra­ti­schen Staa­ten ei­ner der­ar­ti­gen Ge­heim­hal­tung un­ter­wor­fen wer­den, wie es bei TTIP der Fall ist, be­zeich­ne­te Hof­rei­ter zu Be­ginn sei­nes Vor­trags als ab­surd. Er ge­hört als Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter zu den we­ni­gen, die das Recht hat­ten, die Ver­trags­tex­te in ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Raum un­ter ex­tre­men Ge­heim­hal­tungs­auf­la­gen ein­zu­se­hen. Nicht ein­mal sei­ne Mit­ar­bei­ter darf er über den In­halt in­for­mie­ren. Ob die im Mai von Green­peace ver­öf­fent­lich­ten Do­ku­men­te mit dem über­ein­stim­men, was er im ab­ge­schirm­ten Le­se­raum ge­se­hen hat, darf er eben­falls we­der be­stä­ti­gen noch de­men­tie­ren. In sei­nen Aus­füh­run­gen be­zog er sich da­her auf die von Green­peace ver­öf­fent­lich­ten Do­ku­men­te.

Grund­sätz­lich sprach sich Hof­rei­ter für Ab­kom­men in der heu­ti­gen ver­netz­ten Welt aus, bei­spiels­wei­se zur Ver­ein­heit­li­chung tech­ni­scher Stan­dards. In­ter­na­tio­na­le Re­ge­lun­gen in Be­rei­chen wie z.B. der öf­fent­li­chen Da­seins­vor­sor­ge (z.B. Was­ser­ver­sor­gung) lehn­te er aber ab. Die Pro­ble­ma­tik der ge­plan­ten bi­la­te­ra­len Han­dels­ab­kom­men sei, dass man sich in vie­len Be­rei­chen lei­der nicht auf den höch­sten Stan­dard ei­ni­ge, son­dern eben auf den je­weils nied­ri­ge­ren. Bei­de Part­ner müss­ten da­durch Qua­li­täts­stan­dards sen­ken.

Hof­rei­ter be­ton­te, dass es nicht dar­um gin­ge, die US-Stan­dards ab­zu­leh­nen, wie das so oft in den Me­di­en zu le­sen sei. Im Be­reich der Koh­le­kraft­wer­ke gel­ten in den USA bei­spiels­wei­se Grenz­wer­te für den Queck­sil­ber­aus­stoß, die viel stren­ger sind als in Eu­ro­pa. Wür­de man die­se Maß­stä­be an deut­sche Koh­le­kraft­wer­ke an­le­gen, dann wä­re nur noch ein ein­zi­ges am Netz, da al­le an­de­ren den nach US-Re­ge­lun­gen gel­ten­den Grenz­wert über­schrei­ten. Auch im Be­reich des Fi­nanz­markts sei dies der Fall: Nach der Ban­ken­kri­se ha­ben die USA ih­re Fi­nanz­markt­re­ge­lun­gen ver­bes­sert und sei­en nun nicht be­reit, das Ni­veau wie­der auf das schlech­te­re eu­ro­päi­sche zu sen­ken.

In sei­nem Vor­trag kon­zen­trier­te sich der Vor­sit­zen­de der GRÜ­NEN-Bun­des­tags­frak­ti­on vor al­lem auf drei Pro­blem­be­rei­che der ge­plan­ten Ab­kom­men:

1. Ein­füh­rung von pri­va­ten Schieds­ge­rich­ten au­ßer­halb öf­fent­li­cher Ge­richts­bar­keit

Die öf­fent­li­che Ge­richts­bar­keit be­zeich­ne­te Hof­rei­ter als ei­ne der größ­ten Er­run­gen­schaf­ten der eu­ro­päi­schen Kul­tur. Durch das Ein­set­zen von pri­va­ten Schieds­ge­rich­ten trü­gen die Ab­kom­men zur Schwä­chung un­se­rer Ju­stiz bei. Es hand­le sich um ei­ne Art Par­al­lel­ju­stiz, die im Gro­ßen und Gan­zen im Ge­hei­men statt­fin­det und in der Groß­in­ve­sto­ren ein­zel­ne Staa­ten ver­kla­gen kön­nen, wenn die­se z.B. Ge­set­ze er­las­sen, die für In­ve­sto­ren die Pro­duk­ti­on oder den Ver­kauf be­stimm­ter Pro­duk­te ver­bie­ten oder er­schwe­ren. Hier wä­ren dann enor­me Scha­den­er­satz­zah­lun­gen fäl­lig. Al­les in al­lem ein Kla­ge­pri­vi­leg für Kon­zer­ne. Für Pri­vat­per­so­nen oder Ver­bän­de gibt es kei­ne Ver­bes­se­run­gen ge­gen­über heu­te.

2. Die re­gu­la­to­ri­sche Ko­ope­ra­ti­on, al­so die Ein­bin­dung von Kon­zer­nen in die Ge­setz­fin­dung

Wirt­schafts­lob­by­isten er­hal­ten das Recht, im Rah­men des Ge­setz­ge­bungs­pro­zes­ses auf neue Ge­set­ze ein­zu­wir­ken, und zwar be­vor sie über­haupt in die na­tio­na­len Par­la­men­te ge­lan­gen. Durch ei­ne sol­che noch frü­he­re Ein­bin­dung in die Ge­setz­fin­dung wä­re der Ein­fluss von Kon­zer­nen in Be­rei­chen wie Um­welt­schutz, Ar­beits­stan­dards oder Ver­brau­cher­schutz enorm ver­stärkt.

3. Der Ver­zicht auf das eu­ro­päi­sche Vor­sor­ge­prin­zip zu­gun­sten des US-ame­ri­ka­ni­schen Ri­si­ko- und Scha­den­er­satz­prin­zips

Nach dem Vor­sor­ge­prin­zip, wie es in der EU an­ge­wen­det wird, wer­den neue Pro­duk­te oder Ver­fah­ren ver­bo­ten, wenn von ih­nen mit ho­her Wahr­schein­lich­keit Ge­fah­ren für Ver­brau­cher aus­ge­hen. In den USA gibt es ein sol­ches Vor­sor­ge­prin­zip nicht in eu­ro­päi­schem Ma­ße. Dort geht man hö­he­re Ri­si­ken ein und er­mög­licht statt­des­sen sehr ho­he Scha­den­er­satz­kla­gen, wenn sich bei der An­wen­dung tat­säch­lich ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen zei­gen. Bei den ge­plan­ten Ab­kom­men be­kä­men Ver­brau­cher – eben­so wie bei vie­len Stan­dardan­glei­chun­gen – das Schlech­te­ste aus bei­den Wel­ten. Denn das bis­lang in Eu­ro­pa gel­ten­de Vor­sor­ge­prin­zip für Kon­zer­ne wä­re aus­ge­he­belt, die in den USA üb­li­chen ho­hen Scha­den­er­satz­zah­lun­gen gibt das deut­sche und eu­ro­päi­sche Recht aber nicht her. Pro­fi­teu­re wä­ren auch in die­sem Punkt wie­der aus­schließ­lich die gro­ßen Kon­zer­ne, Ver­lie­rer die Ver­brau­cher.

Der vollbesetzte Vortragsraum in der Freibank (Foto: Kamran Salimi)

Der voll­be­setz­te Vor­trags­raum in der Frei­bank
(Fo­to: Kam­ran Sa­li­mi)

Auch bei Ex­kur­sen zu den The­men »wei­te­re Glo­ba­li­sie­rung der Land­wirt­schaft« und »mög­li­che Aus­schrei­bungs­pflicht im Be­reich kom­mu­na­ler Da­seins­vor­sor­ge« zeig­te Hof­rei­ter die Nach­tei­le der ge­plan­ten Ab­kom­men an­hand von ein­gän­gi­gen Bei­spie­len auf. Au­ßer­dem wies er dar­auf hin, dass In­no­va­tio­nen häu­fig von um­welt­po­li­tisch ori­en­tier­ter Ge­setz­ge­bung ge­trie­ben sei­en (z.B. das welt­weit als vor­bild­lich an­er­kann­te Er­neu­er­ba­re En­er­gien Ge­setz EEG). Der­ar­ti­ge ge­setz­li­che Neu­re­ge­lun­gen wür­den je­doch in vie­len Be­rei­chen durch die ge­plan­ten Ab­kom­men er­schwert, da sie in die be­stehen­de Ge­schäfts­tä­tig­keit von Un­ter­neh­men ein­grei­fen (z.B. in den Be­reich der gro­ßen En­er­gie­ver­sor­ger RWE, Vat­ten­fall mit ih­ren Atom- und Koh­le­kraft­wer­ken). TTIP und CETA wür­den sich al­so auf lan­ge Sicht so­gar in­no­va­ti­ons­hem­mend aus­wir­ken.

Re­sü­mie­rend fass­te To­ni Hof­rei­ter zu­sam­men: »Wir brau­chen an­stän­di­ge, trans­pa­ren­te, in­ter­na­tio­na­le Re­ge­lun­gen. Aber die­se Ver­trä­ge brau­chen wir nicht!« Dem Vor­trag folg­te ei­ne Fra­ge­run­de. Die zahl­rei­chen Fra­gen wur­den von Dr. To­ni Hof­rei­ter sehr sym­pa­thisch, klar und mit viel Sach­ver­stand be­ant­wor­tet. Ei­ne rund­um ge­lun­ge­ne Ver­an­stal­tung, da wa­ren sich die Besucher*innen ei­nig.

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3 Kommentare zu »Ge­lun­ge­ner Vor­trag von To­ni Hof­rei­ter zu TTIP & CETA«:

  1. Peter sagt:

    Da hat der rich­ti­ge re­fe­riert. Halb­weis­hei­ten ge­mixt mit Grü­nen­ideo­lo­gie, mehr kann der nicht.

  2. Walter sagt:

    Grü­nen­bas­hing oh­ne Ar­gu­men­te, mehr kann mein Vor­red­ner of­fen­bar nicht. Scha­de.

  3. Peter sagt:

    Das hat mit Grü­nen­bas­hing nichts zu tun, die ba­shen sich schon sel­ber... Jetzt wo es auf die Wahl zu geht kom­men die aus ih­ren Lö­chern, trom­meln Leu­te mit fa­den­schein­li­chen Ar­gu­men­ten zu­sam­men und re­fe­rie­ren über Din­ge die sie nicht ver­ste­hen. Die sel­ber sa­gen doch im­mer wie­der das der In­halt die­ses Ab­kom­mens nicht so recht be­kannt ist, wie kön­nen die al­so da­ge­gen sein. Viel­leicht ste­hen ja vie­le tol­le Din­ge drin­nen. Im Üb­ri­gen: Wo wa­ren die Grü­nen und Lin­ken und an­de­ren als letz­tes Jahr das EU-Frei­han­dels­ab­kom­men mit Afri­ka ab­ge­schlos­sen wur­de? Das macht die Märk­te dort un­ten ka­putt. Aber da sagt kei­ner was weil’s uns nur in­di­rekt be­trifft.

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