Söll­ners Sich­ten

2. Juni 2017 | von | Kategorie: Spielplatz

Robert Söllner (Foto: Robert Söllner)

Auch wenn der Für­ther Fo­to­graf Ro­bert Söll­ner erst in den 1980er Jah­ren zu fo­to­gra­fie­ren be­gann, fühlt er sich haupt­säch­lich Fo­to­gra­fen des frü­hen und mitt­le­ren 20. Jahr­hun­derts ver­bun­den – an­ge­fan­gen von Wal­ker Evans über Ir­vin Penn, Jo­sef Kou­del­ka und Char­ges­hei­mer bis hin zu Ro­bert Frank. Nicht zu­letzt we­gen die­ser fo­to­gra­fi­schen So­zia­li­sa­ti­on bleibt für Söll­ner die Re­duk­ti­on auf Schwarz-Weiss das Mit­tel der Wahl.

»Wer sucht, braucht ei­ne Bril­le. Mit der des Ro­bert Söll­ner er­öff­net sich ein Blick­win­kel, der nicht nur op­tisch dar­auf aus­ge­rich­tet ist, mög­lichst breit zu se­hen und da­bei – mög­lichst ge­las­sen – hell­sich­tig zu ma­chen.« (Dr. Wolf­gang Ho­fer im Vor­wort des Bild­ban­des »Aus der Pro­duk­ti­on« mit Thea­ter­fo­to­gra­fien von Ro­bert Söll­ner, er­schie­nen 1996 im Ei­gen­ver­lag.)

Es ist Früh­ling: Der Tep­pich muss raus, auf den Sperr­müll oder ein­fach nur eben zum Trock­nen. Auf dem schmut­zi­gen Stra­ßen­bo­den? Und wel­che Auf­ga­be hat der äl­te­re tür­ki­sche Herr auf der Trep­pe da­ne­ben? Wahr­schein­lich geht bei drei­mal Stock­klop­fen der Tep­pich in die Luft. Aber das weiß nur der selbst­si­cher grin­sen­de Herr selbst.

Abflug (Foto: Robert Söllner)

Ab­flug

Oder die Da­me am Brun­nen in der Ade­nau­er-An­la­ge. Fas­zi­niert schau­en sie und der hin­ter ihr sit­zen­de Mann auf das kah­le Becken. Was ist dar­an so fes­selnd? Ist es nur ei­ne Pro­jek­ti­ons­flä­che für ab­schwei­fen­de Ge­dan­ken? Zu­letzt ent­deckt der Be­trach­ter ei­nen Kin­der­kopf in der Ecke, der die­sen un­ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt viel­leicht er­klärt. Sol­cher­lei Mo­ti­ve fin­det Ro­bert Söll­ner zu­hauf in Fürth.

Söll­ner, ge­bo­ren 1965 in Ans­bach, ist so­wohl be­ruf­lich als auch pri­vat über­zeug­ter Für­ther, seit er wäh­rend des Stu­di­ums ein er­stes Ate­lier in der Klee­blatt­stadt fand. Nach sei­ner Fo­to­gra­fen-Aus­bil­dung stu­dier­te er Fo­to­gra­fie und De­sign an der Ge­org-Si­mon-Ohm-Fach­hoch­schu­le in Nürn­berg, ar­bei­te­te als Fo­to­graf am Opern­haus Nürn­berg und im Be­reich Wer­be-und Ka­ta­log­fo­to­gra­fie un­ter an­de­rem für Quel­le. Seit 2011 ist er An­ge­stell­ter ei­nes Ver­la­ges in Nürn­berg, wo er sich haupt­säch­lich dem The­ma Re­por­ta­ge­fo­to­gra­fie wid­men darf.

Ausflug (Foto: Robert Söllner)

Aus­flug

Ab­seits von be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen hat Ro­bert Söll­ner im­mer wie­der freie Ar­bei­ten zu den The­men­be­rei­chen Ar­chi­tek­tur, Por­trait­fo­to­gra­fie, Re­por­ta­gen und wie hier Street­photo­gra­phy an­ge­fer­tigt. Sein er­klär­tes Vor­bild ist da­bei Ro­bert Frank, mit dem er mehr als nur den Vor­na­men ge­mein­sam hat. Des­sen 1958 er­schie­ne­ner Bild­band »The Ame­ri­cans« war auch für Söll­ner ein ein­schnei­den­des Er­leb­nis.

Frank rei­ste in den Fünf­zi­ger Jah­ren quer durch Ame­ri­ka und fo­to­gra­fier­te den ame­ri­ka­ni­schen All­tag: Rei­che und ar­me Men­schen, schwar­ze und wei­ße, ein­sa­me und un­glück­li­che, al­te und jun­ge, über­ar­bei­te­te und fei­ern­de, Men­schen in über­füll­ten Städ­ten und in wei­ten we­nig be­sie­del­ten Land­schaf­ten. Es ge­lang ihm, durch sei­ne Bil­der Ge­schich­ten, oder, wie Jack Ke­rouac an­merkt, Ge­dich­te – zu er­zäh­len und gleich­zei­tig auf die ge­sell­schaft­li­chen Zu­stän­de die­ser Zeit auf­merk­sam zu ma­chen, auf Ge­ge­ben­hei­ten hin­zu­wei­sen, die über das Bild­li­che hin­aus­gin­gen. Auch Ro­bert Söll­ners Bil­der wol­len klei­ne Ge­schich­ten er­zäh­len, sein Blick ver­weist aufs Gan­ze, auf et­was Grö­ße­res, das aus­ge­hend vom Bild er­kenn­bar wird.

»Wer die­se Bil­der nicht mag, mag auch kei­ne Ge­dich­te, stimmt‘s? Und wer kei­ne Ge­dich­te mag, soll nach Hau­se ge­hen und sich im Fern­se­hen breit­krem­pig be­hü­te­te Cow­boys an­schau­en, die von freund­li­chen Pfer­den ge­dul­dig er­tra­gen wer­den«, schreibt Jack Ke­rouac im Vor­wort von »The Ame­ri­cans«. Über­tra­gen auf die Um­ge­bung von Ro­bert Söll­ner könn­te es auch hei­ßen »...und sich im Fern­se­hen Wal­traud und Ma­rie­chen an­se­hen...«

Söll­ners Blick auf Fürth und sei­ne Ein­woh­ner in sei­nem letz­ten Pro­jekt »Ein Ver­such über Fürth« ist ge­prägt von Sym­pa­thie für die Viel­fäl­tig­keit und Be­son­der­heit die­ser Stadt: Die­se zeigt sich meist in Sze­nen ab­seits von Post­kar­ten-Idyl­len und weiss-blau­em Him­mel. Söll­ner schätzt be­son­ders die klei­nen skur­ri­len Mo­men­te der Für­ther und Für­the­rin­nen.

Als ge­le­gent­lich iro­nisch lä­cheln­der Be­ob­ach­ter ver­lässt sich er auf den Mo­ment und na­tür­lich auf den Zu­fall. Sei­ne Stra­ßen­fo­to­gra­fie lässt so­wohl den Be­trach­tern als auch dem Fo­to­gra­fen selbst die Frei­heit per­sön­li­cher In­ter­pre­ta­ti­on. Viel­leicht ent­steht so­gar ein et­was an­de­res Fürth-Buch dar­aus oder gar ei­ne Aus­stel­lung. Bei­des wä­re sehr zu wün­schen.

Die hier ge­zeig­ten (Vorschau-)Fotos las­sen sich sämt­lich durch An­klicken ver­grö­ße­ren. Neue Bil­der aus die­ser Se­rie wer­den von Zeit zu Zeit un­ten er­gänzt. Ro­bert Söll­ners Ar­bei­ten sind auch in sei­nem Fo­to-Blog zu se­hen.

 
Al­mut Sau­er ist Ger­ma­ni­stin mit Hang zur vi­su­el­len Kom­mu­ni­ka­ti­on und lei­den­schaft­li­che Wahl­für­the­rin.

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