200 Jahre Stadt Fürth (1808 – 2018) – Nur ein Rechenfehler?
10. Juli 2017 | von Gerd Walther | Kategorie: VermischtesSeit 2016 vernehmen wir mit zunehmender Häufigkeit Nachrichten zum Jubiläum ‘200 Jahre Stadt Fürth’ im Jahr 2018. Das ist inhaltlich falsch. Fürth wurde 1808 mit dem bayerischen Gemeindeedikt zur ‘Stadt 2. Klasse’ erhoben. Dabei zeigt der Zusatz ‘2. Klasse’ keine rechtliche Minderstellung an. Er regelt für Städte über 10.000 Einwohner den Umfang und die Besoldung der Polizei, Polizei im damaligen Sinn von Verwaltung. (Über 20.000 Einwohner war man 1. Klasse, über 5000 Einwohner 3. Klasse.) Fronmüller, Chronik der Stadt Fürth, schreibt 1808: »In diesem Jahre wurde offiziell Fürth als Stadt anerkannt und in die Städte zweiter Klasse eingereiht« (S. 214). 1984 stellte P. Frank die Stadtwerdung Fürths in dem Artikel ‘175 Jahre STADT FÜRTH – Ein Grund zum Feiern?’ in den Fürther Heimatblättern (1/1984) dar. Fürth ist somit 2018 seit 210 Jahren Stadt. Dies behält auch dann seine Gültigkeit, wenn sich heutige Zeitgenossen mehr Glanz und Gloria bei der Stadterhebung gewünscht hätten.
Man hatte damals in Bayern und Fürth andere Sorgen, Missernten mit Hungersnöten, Kriege mit Einquartierungen und Rekrutierungen (was neu war), Wirtschaftskrisen. Bayern war an der Seite Napoleons 1806 Königreich geworden, es erfuhr eine immense Gebietserweiterung mit vielen neuen Untertanen. Da wurde erst einmal, »um die Integration der höchst heterogenen Landesteile« voranzutreiben, (W. Volkert, Geschichte Bayerns, S. 63) vereinheitlicht, wurden die vielen alten Rechte und Mitwirkungsformen der Bevölkerung faktisch auf Null gesetzt, eine Maßnahme, die sich bald als kontraproduktiv erwies. Aber Napoleon wollte Geld und Soldaten – und die Stadterhebung per Gemeindeedikt entsprach dem geringen Stellenwert der Untertanen.
1818 nun wurde Fürth, wiederum per Gemeindeedikt, zur ‘Stadt 1. Klasse’. Auch dies bedeutete keinen Aufstieg, sondern beruhte jetzt auf anderen Einteilungskriterien (über 2000 Familien) und bezog sich wieder auf die Ausstattung mit Verwaltungspersonal. In diesem Zusammenhang konnten besitzende Einwohner Bürgermeister, einen Magistrat und eine Gemeindeversammlung wählen. Ein Zensuswahlrecht ohne Frauen und Juden. Mit moderner kommunaler Selbstverwaltung hat das nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen Rückgriff auf alte Verfahren zur Lösung von Alltagsproblemen vor Ort. In Fürth ist das seit der ‘GemeindOrdnung’ von 1497 mit expandierender Tendenz parallel zum Wachstum des Ortes bis zur Abschaffung durch Preußen 1792 belegt. Es gab Bürgermeister, die Ganze Gemein (der Besitzenden), eine Vorstehergemeinde als engeren Zirkel und viele andere Einrichtungen, wie man bei Schwammberger, ‘Fürth von A bis Z’ oder in Frau Ohms Fürthbuch nachlesen kann.
Max Spindler (Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV,1) schreibt zu 1818 von »der Wiederherstellung der gemeindlichen Selbstverwaltung« (S.70) mit »einer straffen Staatsaufsicht (Kuratel)« (S.71), die letztlich erst 1919 beseitigt wurde. Auch P.C. Hartmann erwähnt die »Wiederherstellung der gemeindlichen Selbstverwaltung« (Bayerns Weg in die Gegenwart, S.377). Ähnlich äußert sich E. Mages im Hist. Lexikon Bayern, Artikel Gemeindeverfassung, über die verstärkte Berücksichtigung »historisch gewachsener Strukturen« bei einer »straffen Aufsicht (Staatskuratel)«. Neu war 1818 v.a. die einheitliche Zusammenfassung im Königreich. Vom Beginn einer modernen kommunalen Selbstverwaltung konnte zu Zeiten Metternichs mit der Wiederherstellung der alten monarchischen Strukturen nicht die Rede ein. Das Grundprinzip der Zeit hieß ‘Restauration’. Keine Rede von »Eigenständigkeit« oder gar einer »ersten Selbstverwaltung«, wie die FN vom 12.5.2016 Fürther Jubiläumsplanungen erwähnt.
Wozu also das Ganze? Da hat ein mit Amtsbonus versehener Oberbürgermeister entdeckt, dass ein Stadtfest vor Wahlen (2020) positiv wirkt. 2007 war es das Jubiläum ‘1000 Jahre Fürth’, wobei unterging, dass es sich ’nur’ um die 1. urkundliche Erwähnung handelt, Fürth ca 250 Jahre älter ist. Diesmal also ‘200 Jahre Stadt Fürth’. Wenn’s nicht passt, wird’s passend gemacht. Und dazu braucht es Hiwis, Zeitungen z.B., die durch ständige Wiederholung Falsches richtig erscheinen lassen. Da wünsche ich mir einen seriöseren Umgang mit der Stadt und ihrer Geschichte. Einmal, am 25.11.2016, schrieb die FN anlässlich einer Buchvorstellung von Frau Ohm und Frau Friedrich: »Seit 1808 ist Fürth endlich kein Markt mehr, sondern eine Stadt.« Und seitdem: 200 Jahre Stadt Fürth, 1808 – 2018. Als Lektüre empfehle ich »Des Kaisers neue Kleider« von Christian Andersen.
Gerd Walther ist ehem. Leiter des Rundfunkmuseums Fürth und des Stadtmuseums Ludwig Erhard. Der vorstehende Text ging als Offener Brief u.a. an die Redaktionen der Fürther Nachrichten und der StadtZeitung.
Danke für die Aufklärung – das war mir so nicht bekannt.
Es ist, glaube ich, ein recht alter und möglicherweise nicht besonders guter Marketing-Trick, bei jeder Gelegenheit irgendein Jubiläum aus dem Hut zu zaubern, um neue Rechtfertigungen für immer gleiche Events zu generieren.
... Nicht alle Beiträge der »Fürther Freiheit« könnte ich mit gutem Gewissen unterschreiben. Meinungsvielfalt ist jedoch einer der Grundpfeiler einer gesunden Demokratie, und deshalb lese ich die Seite weiterhin.
Das Fazit dieses Beitrags trifft ins Schwarze: »Des Kaisers neue Kleider« sollte in Fürth Basislektüre werden. Denn nicht nur beim Stadtjubiläum werden Tatsachen verdreht.